Müßiggang und Zurechtweisung

Letzten Samstag wurde ein 37facher Millionär geboren. Ein 41-jähriger Krankenpfleger aus Westfalen hat den Rekord-Jackpot von 37, 7 Millionen Euro beim Lottospiel gewonnen. Die erstaunlichste Nachricht war dabei, dass er weiterarbeiten will. Daraus machte die Westdeutsche Zeitung am letzten Mittwoch dann auch die Schlagzeile: „Lotto-Millionär will weiter arbeiten gehen.“ Dabei könnte er allein schon von den Zinsen leben. Bei einer entsprechenden Anlage seines Gewinns wäre eine mögliche Rendite von 5% drin und das wären rund 1, 9 Millionen Euro im Jahr.

Trotzdem will der 41-jährige weiterhin als Krankenpfleger arbeiten.

© Westdeutsche Zeitung vom 11.10.2006, Seite 1

Mit dieser Einstellung liegt er ganz und gar auf der Linie von Paulus, der Ähnliches den Thessalonichern ins Stammbuch schreibt: 2. Thessalonicher 3, Vers 6 bis 13 (Einheitsübersetzung): Im Namen Jesu Christi, des Herrn, gebieten wir euch, Brüder: Haltet euch von jedem Bruder fern, der ein unordentliches Leben führt und sich nicht an die Überlieferung hält, die ihr von uns empfangen habt.

Ihr selbst wisst, wie man uns nachahmen soll. Wir haben bei euch kein unordentliches Leben geführt und bei niemand unser Brot umsonst gegessen; wir haben uns gemüht und geplagt, Tag und Nacht haben wir gearbeitet, um keinem von euch zur Last zu fallen. Nicht als hätten wir keinen Anspruch auf Unterhalt; wir wollten euch aber ein Beispiel geben, damit ihr uns nachahmen könnt.

Denn als wir bei euch waren, haben wir euch die Regel eingeprägt: Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen. Wir hören aber, dass einige von euch ein unordentliches Leben führen und alles Mögliche treiben, nur nicht arbeiten. Wir ermahnen sie und gebieten ihnen im Namen Jesu Christi, des Herrn, in Ruhe ihrer Arbeit nachzugehen und ihr selbst verdientes Brot zu essen.

Ihr aber, Brüder, werdet nicht müde, Gutes zu tun. Wenn jemand auf unsere Mahnung in diesem Brief nicht hört, dann merkt ihn euch, und meidet den Umgang mit ihm, damit er sich schämt; doch seht ihn nicht als Feind an, sondern weist ihn als euren Bruder zurecht!

Kurz vor Briefschluss wird Paulus massiv und redet Klartext. Damals gab es zwar noch nicht die Westdeutsche Zeitung, doch die Nachricht von den Müßiggängern in der Thessalonicher Gemeinde drang auch ohne Zeitung und Internet bis zu Paulus nach Korinth durch.

Dabei hatte er doch schon in seinem ersten Brief deutliche Worte in die Richtung der Drückeberger und Schmarotzer losgelassen, 1. Thessalonicher 4, Vers 11 bis 12 (Gute Nachricht): Betrachtet es als Ehrensache, ein geregeltes Leben zu führen. Kümmert euch um eure eigenen Angelegenheiten, und arbeitet für euren Lebensunterhalt, wie wir euch das gesagt haben. Lebt so, dass ihr denen, die nicht zur Gemeinde gehören, keinen Anstoß gebt und niemand zur Last fallt.

und 5. Vers 14b (Gute Nachricht): Weist die zurecht, die ein ungeregeltes Leben führen.

Scheinbar hatten diese klaren Sätze des ersten Briefes nichts bewirkt. Die Müßiggänger kriegten einfach nicht die Hände aus den Taschen. Sie ließen sich weiterhin von den anderen aus der Gemeinde versorgen und wurden zu einer regelrechten Plage. Dabei taten sie nicht Nichts. Weil sie keiner geregelten Arbeit nachgingen, hatten sie so viel Zeit, dass sie nicht nur in die Kochtöpfe der Gemeindeglieder begierig stierten, sondern auch zu Allem und Jedem ihre ungefragten Weisheiten zum Besten gaben. In der Gemeinde richtet kaum eine andere Sünde größeren Schaden an – sagte mal jemand – als dummes Geschwätz.

© William Barclay, Briefe an die Thessalonicher, Seite 234

Die Thessalonicher lebten ganz nach dem Motto des arbeitsscheuen Lebemanns Valerio von Georg Büchner (1813 – 1837) in seinem Lustspiel „Leonce und Lena“: (Valerio) Ich habe die große Beschäftigung, müßig zu gehen, ich habe eine ungemeine Fertigkeit im Nichtstun, ich besitze eine ungeheure Ausdauer in der Faulheit. Keine Schwiele schändet meine Hände, der Boden hat noch keinen Tropfen von meiner Stirne getrunken, ich bin noch Jungfrau in der Arbeit, und wenn es mir nicht der Mühe zu viel wäre, würde ich mir die Mühe nehmen, Ihnen diese Verdienste weitläufiger auseinander zusetzen.

© Eberhardt Puntsch, Zitate-Handbuch, Seite 511

© http://gutenberg.spiegel.de/buechner/leonce/leonce11.htm

Ähnlich dachten und lebten auch einige Christen in der Thessalonicher Gemeinde. Dabei ist Müßiggang aller Laster Anfang, wie das Sprichwort schon sagt und die Arbeit nicht nur ein lästiges Übel, sondern Gottes Idee, 1. Mose 2, Vers 15 (Einheitsübersetzung): Gott, der Herr, nahm also den Menschen und setzte ihn in den Garten von Eden, damit er ihn bebaue und hüte.

Arbeit ist dem Menschen nicht nur verordnet, sondern unterscheidet ihn von der übrigen Schöpfung und gehört mit zur Ebenbildlichkeit Gottes. So wie Gott selbst ja auch schöpferisch arbeitete, soll der Mensch es ihm gleichtun. In unserer Fähigkeit zur Arbeit wird deutlich, dass wir Geschöpfe unseres Schöpfers sind und ihm darin gleichen. So wie der Schöpfer können wir als seine Geschöpfe kreativ werden, gestalterisch tätig sein. Mit nur zwei, aber wesentlichen Unterschieden: Gott schuf aus dem Nichts, und wir schaffen aus dem von Gott Geschaffenen.

Alles, was Gott schuf, war sehr gut und vieles von dem, was wir schaffen, zerstört seine gute Schöpfung.

Laut Schöpfungsbericht gehört die Arbeit zum Menschen. Sie ist von Gott vor dem Sündenfall angeordnet worden. Konkret werden in 1. Mose 1 als Arbeit des Menschen genannt:

- Herrschaft über die Kreatur

- Vegetarische Nahrungsbeschaffung

- Bebauen und Bewahren der Schöpfung

Dabei ist festzuhalten, dass alle drei genannten Arbeitsbereiche anfangs nicht zerstörerisch wirkten. Gott sagt auch zur Arbeit des Menschen: Es war sehr gut.

Nach dem Sündenfall gerät auch die menschliche Arbeit unter den Fluch Gottes. So wird uns danach die Arbeit als schweißtreibende Angelegenheit beschrieben. Dornen und Disteln finden wir danach nicht nur in der landwirtschaftlichen Arbeit, sondern in allen Berufsgruppen wieder.

Die Bibel macht an vielen Stellen deutlich, dass wir arbeiten, um zu leben; aber nicht leben, um zu arbeiten.

Psalm 90, Vers 10 (Luther 1545): Unser Leben währet siebenzig Jahre, und wenn's hoch kommt, so sind's achtzig Jahre; und wenn's köstlich gewesen ist, so ist's Mühe und Arbeit gewesen.

Psalm 128, Vers 2 (Luther): Du wirst dich nähren von deiner Hände Arbeit; wohl dir, du hast's gut.

Sprüche 6, Vers 6 bis 11 (Luther): Geh hin zur Ameise, du Fauler, sieh an ihr Tun und lerne von ihr! Wenn sie auch keinen Fürsten noch Hauptmann noch Herrn hat, so bereitet sie doch ihr Brot im Sommer und sammelt ihre Speise in der Ernte. Wie lange liegst du, Fauler! Wann willst du aufstehen von deinem Schlaf? Ja, schlafe noch ein wenig, schlummre ein wenig, schlage die Hände ineinander ein wenig, dass du schlafest, so wird dich die Armut übereilen wie ein Räuber und der Mangel wie ein gewappneter Mann.

Prediger 3, Vers 10 (Luther): Ich sah die Arbeit, die Gott den Menschen gegeben hat, dass sie sich damit plagen.

Prediger 3, Vers 22 (Luther): So sah ich denn, dass nichts Besseres ist, als dass ein Mensch fröhlich sei in seiner Arbeit; denn das ist sein Teil. Denn wer will ihn dahin bringen, dass er sehe, was nach ihm geschehen wird?

1. Timotheus 5, Vers 18 (Luther): Denn die Schrift sagt (5. Mose 25,4): „Du sollst dem Ochsen, der da drischt, nicht das Maul verbinden“; und: „Ein Arbeiter ist seines Lohnes wert“.

Die Arbeit wird nach dem Sündenfall an vielen Stellen in der Bibel einerseits als mühevolle Plage und andererseits als notwendig für den Lebenserwerb beschrieben. Dabei finden wir im Neuen Testament keine Lehre über den Beruf. Angesichts des kommenden Reiches Gottes, dessen Anbruch die ersten Christen täglich erwarteten, war es nicht wesentlich, welchen Beruf der Christ ausübte. Die Christen sollten arbeiten, wie es Gott von Anfang an den Menschen geboten hatte, um ihren Lebensunterhalt zu sichern, aber es war unwichtig, in welchem Beruf sie das taten.

© Ernst Busch, Glaube und Nachfolge, Seite 83

Auch Christen müssen arbeiten, um zu leben, stellt die Bibel nüchtern fest. So gab es in Thessalonich offenbar einige, die sich auf Kosten ihrer Mitchristen einen schönen Tag machten. Ihnen - und nicht nur ihnen schreibt der Apostel ins fromme Stammbuch: Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen.

Andererseits macht die Bibel deutlich, dass der Mensch nicht lebt, um zu arbeiten.

2. Mose 20, Vers 8 bis 11 (Einheitsübersetzung): Gedenke des Sabbats: Halte ihn heilig! Sechs Tage darfst du schaffen und jede Arbeit tun. Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem Herrn, deinem Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun: du, dein Sohn und deine Tochter, dein Sklave und deine Sklavin, dein Vieh und der Fremde, der in deinen Stadtbereichen Wohnrecht hat. Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel, Erde und Meer gemacht und alles, was dazugehört; am siebten Tag ruhte er. Darum hat der Herr den Sabbattag gesegnet und ihn für heilig erklärt.

Christen leben nicht für die Arbeit, sondern für Christus. Somit verstehen sie die Arbeit auch nicht als Sinn ihres Lebens, sondern als notwendig für ihren Lebensunterhalt. Genauso notwendig wie der Beruf ist die Freizeit, die arbeitsfreie Zeit für Gott, für die Familie und für einen selbst.

Adolf Köberle hat einmal gesagt: Zuletzt ist unser Leben nur dann in Ordnung, wenn Stillesein und Schaffen, Beten und Arbeiten, Horchen auf Gott und Gehorchen im Alltag, Spiel und Ernst im rechten Einklang miteinander stehen. Wer nur eines täte, der versündigte sich auf jedem Fall gegen den Willen Gottes.

Die Müßiggänger aus Thessalonich hatten allerdings nur die Freizeit im Sinn. Arbeit war für sie ein Fremdwort. Für sie bestand die Schule vor allen Dingen aus den Pausen.

Vom Wort selbst her hat die Arbeit einen bitteren Nachgeschmack. So bedeutete Arbeit ursprünglich schwere körperliche Anstrengung, Mühsal und Plage.

© Duden Band 7, Das Herkunftswörterbuch, Seite 43

Die Arbeit selbst hat durch die Zeiten hindurch einen unterschiedlichen Stellenwert gehabt. So wurde in der Antike jede körperliche Arbeit als menschenunwürdig bezeichnet. Sie war den Sklaven vorbehalten. Während wissenschaftliches und politisches Tun für einen freien Menschen als nützliche Tätigkeit angesehen wurde. So sagt der griechische Philosoph Aristoteles: Darum nennen wir auch alle die Künste und Fertigkeiten, die eine Verschlechterung des gesunden, harmonischen Körperzustandes zur Folge haben, ebenso gut banausische wie die Verrichtung des niedrigen Tagelöhners. Denn sie machen das Denken und die Denkart des Menschen unfrei und kümmerlich.

© Ernst Busch, Glaube und Nachfolge, Seite 82

Das griechische Wort für Handwerker - Banause - hat bis heute noch den degradierenden Klang, den es ethisch in der Antike hatte. Körperliche Arbeit verunreinigte die Seele des Menschen. Dem Ideal des antiken Staatsbürgers entsprach der Grundbesitzer, dem die Rente aus seinem Eigentum jede Handarbeit ersparte und die ständige politische Betätigung ermöglichte.

© dtv-Lexikon der Antike, Kulturgeschichte Band 1, Seite 76

Eine grundsätzlich positive Schätzung der Arbeit nicht nur als eines notwendigen Übels, sondern auch als eines Wertes an sich brachte jedoch erst auf Grund jüdischer Voraussetzungen das Christentum.

© dtv-Lexikon der Antike, Kulturgeschichte Band 1, Seite 76

Bei den Juden stand die Arbeit in hohem Ansehen. „Wer seinen Sohn kein Gewerbe lehrt“, hieß es bei ihnen, „der lehrt ihn das Stehlen.“

© William Barclay, Briefe an die Thessalonicher, Seite 233

Das Mittelalter stellte an die Spitze einer hierarchischen Gesellschaftsordnung den Mönchs- und Priesterstand. Der Beruf des Priesters wurde als Beruf im eigentlichen Sinn verherrlicht, weil dieser Beruf auf eine besondere Berufung Gottes zurückgeht. Demgegenüber hat Luther dem Beruf eine neue Bedeutung gegeben, wenn er (gemäß 1. Korinther 7, Vers 17 nach der Einheitsübersetzung: Im Übrigen soll jeder so leben, wie der Herr es ihm zugemessen, wie Gottes Ruf ihn getroffen hat. Das ist meine Weisung für alle Gemeinden.) den weltlichen Beruf als gottgewollt dem Beruf des Priesters gleichstellt.

Dieser ethische Zusammenhang von Berufung und Beruf ist bis heute wirksam geblieben, wenn das Wort jetzt auch gewöhnlich nur die bloße Erwerbstätigkeit meint.

© Duden Band 7, Das Herkunftswörterbuch, Seite 75

Heute wird unter Arbeit sowohl die körperliche als auch die geistige Anstrengung verstanden. Auch die Hausfrauen- und Erziehungsarbeit, ja selbst die ehrenamtliche Tätigkeit wird der Berufsarbeit mehr und mehr gleichgestellt. Damit hat die Arbeit nicht mehr nur einen rein ökonomischen Wert, sondern einen Wert an sich bekommen.

Den christlichen Sinn der Arbeit, formulierte 1983 der damalige Erzbischof von Köln, Joseph Kardinal Höffner: Erstens: Die Arbeit ist notwendig. Zweitens: Die menschliche Arbeit ist von einer manchmal drückenden Mühe begleitet. Drittens: Als Ebenbild Gottes ist der Mensch berufen, sich durch seine Arbeit die Erde zu einem menschenwürdigen Lebensraum zu machen. Viertens: Die Arbeit ist ein dienendes Miteinander und Füreinander.

© Joseph Höffner, Arbeit und Arbeitslosigkeit, Seite 4 bis 5

Einige der Thessalonicher Christen waren sicherlich geprägt von der griechischen Einstellung zur Arbeit und zum anderen erwarteten sie täglich die Wiederkunft Jesu. Deshalb behielten sie auch werktags den Sonntagsanzug an und machten sich die Hände nicht mehr schmutzig. Von Luthers sprichwörtlich gewordenem Satz: Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich noch heute ein Apfelbäumchen pflanzen! hatten die Müßiggänger in Thessalonich keine Ahnung. Sie legten die Hände in den Schoss, lagen den anderen aus der Gemeinde auf der Tasche und warteten im Sonntagsanzug auf eine reich gedeckte Tafel in der neuen Welt Gottes. Sie lebten ganz nach dem Motto: „Es gibt viel zu tun, warten wir’s ab!“

2. Thessalonicher 3, Vers 6 bis 9 (Hoffnung für alle): Liebe Brüder! Im Namen unseres Herrn Jesus Christus fordern wir euch noch einmal auf: Trennt euch von all den Menschen in eurer Gemeinde, die faul sind und nicht so leben, wie wir es euch gelehrt und aufgetragen haben.

Ihr wisst doch genau, dass ihr auch darin unserem Beispiel folgen sollt. Und wir sind nicht faul gewesen. Oder haben wir jemals auf Kosten anderer gelebt? Im Gegenteil: Tag und Nacht haben wir gearbeitet und uns abgemüht, um niemandem von euch zur Last zu fallen. Wir hätten zwar von euch Unterstützung verlangen können, doch wir wollten euch ein Vorbild sein, dem ihr folgen sollt.

Schon damals haben wir euch eindringlich aufgefordert, nach dem Grundsatz zu leben: Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen. Trotzdem haben wir gehört, dass einige von euch ein liederliches Leben führen, nicht arbeiten und sich nur herumtreiben. Sie alle fordern wir im Namen Jesu Christi auf, einer geregelten Arbeit nachzugehen und für ihren Lebensunterhalt selbst zu sorgen.

Euch aber, liebe Brüder, bitten wir: Werdet nicht müde, Gutes zu tun! Sollte sich jemand unter euch weigern, den Anweisungen dieses Briefes zu folgen, dann brecht jede Verbindung mit ihm ab, damit ihm sein beschämendes Verhalten bewusst wird. Doch behandelt ihn nicht als euern Feind, sondern als Bruder, dem man helfen muss.

Paulus fordert die gesamte Gemeinde auf, sich von denen zu trennen, die bei der Arbeit schwänzen.

Diese Unordentlichen, von denen sich die Gemeinde um derer selbst willen deutlich distanzieren soll, haben zweierlei völlig übersehen, dass unsere Fähigkeit zu arbeiten etwas Gott gegebenes, ja sogar Ausdruck unserer Gottesebenbildlichkeit ist und wir als Christen unsere Arbeit als Gottesdienst begreifen und leben sollen. In dem Wort, das hier für die „Unordentlichen“ gebraucht wird, steckt die Bedeutung „seinen Platz verlassen“ oder „aus der Reihe tanzen“. Für Paulus ist jemand, der nicht arbeiten will, letztlich einer, der seinen ihm zugewiesenen Platz in der Gesellschaft verlassen hat, ein Drückeberger eben, jemand der schwänzt und blaumacht.

Die Müßiggänger waren zwar zu stolz, körperlich zu arbeiten, aber sie waren offenbar nicht zu stolz, bei anderen zu schmarotzen.

© Eddie Gibbs, Alarmbereitschaft, Seite 151

Paulus wendet sich auch direkt an die Müßiggänger und Drückeberger und fordert sie auf, endlich ihren eigenen Lebensunterhalt zu verdienen und nicht mehr den anderen auf der Tasche zu liegen.

Neben diesen beiden massiven Aufforderungen wendet sich Paulus zum Schluss noch einmal an die Gesamtgemeinde mit der dreifachen Bitte, nicht müde zu werden, Gutes zu tun und sich tatsächlich von den arbeitsscheuen Mitgliedern zu trennen, dabei aber nicht herzlos zu agieren, sondern die Mitchristen durch entschiedenes und dennoch liebevolles Verhalten zurückzugewinnen.

An dieser Stelle müssen wir ehrlicherweise zugeben, dass die damalige Gemeinde- oder Kirchenzucht heute in unserer Zeit diesen erzieherischen Effekt so nicht mehr leisten kann.

Zum einen gab es damals in Thessalonich lediglich eine Christengemeinde. Wem dort die Tür gewiesen wurde, der stand tatsächlich auf der Straße und hatte solange keinen Kontakt mehr zu seinen Mitchristen, bis er sein Verhalten änderte.

Heute gibt es in jeder Stadt mehr als nur eine Gemeinde. Und wenn man in der einen Gemeinde die Tür gezeigt bekommt, geht man eben in die andere Gemeinde.

Damals kannte weder jemand das Wort Individualismus, noch lebte irgendwer eine Art Privatchristentum allein und für sich und losgelöst von einem verbindlichen Leben in einer christlichen Gemeinde.

Damals gab es auch weder Arbeitslosigkeit noch Hartz-IV-Empfänger. Wer damals arbeiten wollte, konnte auch eine Arbeit finden. Bei über 4 Millionen Arbeitslosen sieht die Sache heute ganz anders aus.

Heute würde diese erzieherische Maßnahme aus den drei genannten Gründen so nicht mehr greifen. Deshalb müssen wir überlegen, wie wir uns heute gegenseitig dabei helfen können, christusgemäß in dieser Zeit und Welt zu leben. So haben wir z.B. als Älteste der Gemeinde auf der letzten Gemeindeversammlung eindringlich empfohlen, keinem Gemeindemitglied mehr Geld zu leihen, damit keiner von anderen ausgenutzt, noch andere in eine ungute finanzielle Abhängigkeit geraten.

Daneben muss sich sicherlich jeder Arbeitslose mit der Frage auseinander setzen, von wem er abhängig sein will: Vom Staat oder von seinen eigenen und dabei vielleicht auch finanziell schlechteren Möglichkeiten, seinen eigenen Lebensunterhalt zu verdienen.

Paulus geht es hier nicht um die Arbeitslosen, sondern um die Drückeberger, um Christen, die arbeiten könnten, aber nicht wollen! Und dabei ist wichtig festzuhalten, dass wir Arbeit heute nicht mehr allein und nur unter rein wirtschaftlichen Aspekten betrachten. Auch die Arbeit einer Mutter und Hausfrau ist für uns vollwertige Arbeit. Gleiches gilt für die ehrenamtliche Mitarbeit in der Gemeinde oder an anderen Stellen innerhalb unserer Gesellschaft.

Ich werde nie den Satz vergessen, der auf einem Kühlschrank in einem Wuppertaler Missionswerk stand: Es ist für Gott genauso wichtig Kartoffeln zu schälen, wie Kathedralen zu bauen!

Der Maßstab für uns als Christen im Blick auf unsere Arbeitsethik sind weder die Tarifabschlüsse der Gewerkschaften noch antikes griechisches Denken, auch nicht ein finanzielles Anspruchsdenken, sondern einzig und allein das Beispiel und Vorbild des Handwerkers und Zimmermanns Jesus von Nazareth, der gesagt hat, Matthäus 20, Vers 28 / Markus 10, Vers 45 (Einheitsübersetzung): Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen.

Ganz anders der Lebemann Valerio, den Büchner am Ende seines Stückes sagen lässt: (Valerio) Und ich werde Staatsminister und es wird ein Dekret erlassen, dass wer sich Schwielen in die Hände schafft unter Kuratel gestellt wird, dass wer sich krank arbeitet kriminalistisch strafbar ist, dass jeder der sich rühmt sein Brot im Schweiße seines Angesichts zu essen, für verrückt und der menschlichen Gesellschaft gefährlich erklärt wird, und dann legen wir uns in den Schatten und bitten Gott um Makkaroni, Melonen und Feigen, um musikalische Kehlen, klassische Leiber und eine behagliche Religion!

© http://gutenberg.spiegel.de/buechner/leonce/leonce33.htm

Nicht eine benebelnde Absicherungsmentalität darf unser Maßstab sein. Allein Jesus kann für uns als Christen Norm und Vorbild auch im Blick auf unsere Arbeit und Berufsethik sein. Der Sohn Gottes war Zimmermann von Beruf und er lebte seine Berufung als Dienst und nicht als göttliche Urlaubsreise.

Wie sagte mal jemand: „Mach's wie Gott, werde Mensch!“ Dies ist unser Maßstab: Arbeiten wie Jesus und anderen dienen.



Krefeld, den 15. Oktober 2006
Pastor Siegfried Ochs



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