Vielleicht ist Ihnen die Plakatwerbung der SPD zur
bevorstehenden Landtagswahl am 14. Mai auch schon aufgefallen: Ein gelber
Weihnachtsmann oder ein blaues Feuerwehrauto oder eine schwarze Rose und
dazu jeweils der Satz: "Manche Dinge müssen einfach rot bleiben."
Die Werbestrategen der SPD präsentieren uns bei dieser Kampagne keine politischen Inhalte sondern arbeiten gezielt mit unserem Unterbewusstsein und wollen uns einreden, dass genauso wie der Weihnachtsmann und die Feuerwehr rot bleiben müssen, auch die künftige Landesregierung rot sein sollte.
Nun mag das ja für den Weihnachtsmann und auch für die Feuerwehr durchaus richtig sein, dass manche Dinge einfach rot bleiben müssen. Aber ob das auch für die künftige Landesregierung gilt ist eine ganze andere Frage und bei den Rosen ist das gar keine Frage: die gibt es nämlich auch in anderen Farben.
Die Werbung der SPD lebt davon, dass wir trotz unserer Möglichkeit Farben sehen zu können, immer nur schwarzweiß denken: entweder oder. Entweder ist der Weihnachtsmann gelb, oder aber es ist eben nicht der Weihnachtsmann. Warum eigentlich? Und weshalb muss die Feuerwehr rot sein? Klar, rot ist die auffälligste Farbe - aber weshalb ist dann die Polizei grün?
Nicht nur durch die Rosen macht Gott uns deutlich, dass er es bunt liebt und deshalb gibt es eben nicht nur rote Rosen, sondern auch gelbe, cremefarbene und sogar weiße Rosen. Und wir sind gefangen in unserem Schwarzweiß denken, obwohl Gott uns die Farben geschenkt hat.
Galater 5, Verse 13 bis 15 (Gute Nachricht): Gott hat euch zur Freiheit berufen, meine Brüder und Schwestern! Aber mißbraucht eure Freiheit nicht als Freibrief zur Befriedigung eurer selbstsüchtigen Wünsche, sondern dient einander in Liebe.
Das ganze Gesetz ist erfüllt, wenn dieses eine Gebot befolgt wird: »Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst.« Wenn ihr einander wie wilde Tiere kratzt und beißt, dann paßt nur auf, daß ihr euch nicht gegenseitig verschlingt!
Auch und gerade beim Thema Gesetz und Gnade tun wir uns schwer mit der Freiheit von der Paulus hier jetzt schon zum zweiten Mal redet. Zur Freiheit hat uns Christus befreit. Bleibt daher fest und laßt euch nicht von neuem das Joch der Knechtschaft auflegen! (Vers 1) Ihr seid zur Freiheit berufen. Nur nehmt die Freiheit nicht zum Vorwand für das Fleisch, sondern dient einander in Liebe! (Vers 13) Trotz unserer Möglichkeit Farben sehen zu können, denken wir immer nur schwarzweiß: entweder oder. Entweder Regeln, Gesetze, Ordnungen, oder aber Lust- und Laune Prinzip, Individualismus, Liberalismus.
Entweder oder.
Paulus eröffnet uns hier einen dritten Weg und führt uns damit heraus aus unserem Schwarzweiß denken und schenkt uns eine neue Farbe. Er sagt: Weder Gesetz noch Lustprinzip, sondern: Dient einander in Liebe!
Wenn wir es ganz genau nehmen, heißt es hier: Ihr seid zur Freiheit berufen. Nur nehmt die Freiheit nicht zum Vorwand für das Fleisch, sondern durch die Liebe dient einander!
Christen sind befreit vom Gesetz, aber damit zugleich auch immer befreit für den zu leben, der uns befreit hat: Christus.
Freiheit gibt es immer nur in der Bindung. Unsere Freiheit besteht darin, dass wir uns aussuchen können, wer unser Leben bestimmen soll. Nicht nur die Galater, auch wir stehen an dieser Stelle in der Gefahr unserem Schwarzweiß denken zu erliegen: entweder oder, entweder Gesetz oder Lustprinzip, entweder Gebote, Regeln, Ordnungen oder aber Anarchie, Lustprinzip, Individualismus. Paulus macht deutlich, dass wir auf zwei Seiten vom Pferd fallen können. Die Gnade, die uns geschenkt ist und die wir eben beim Abendmahl zu schmecken bekommen haben, ist zwei ständigen Gefahren ausgesetzt: der Gesetzlichkeit auf der einen Seite und dem Fleisch - wie er schreibt - dem Egoismus, dem Lustprinzip, der Beliebigkeit auf der anderen Seite.
Entweder oder, entweder reglementieren wir die uns geschenkte Gnade und verfallen der Gesetzlichkeit und Gott wird dabei einer vor dem wir ständig Angst haben müssen; oder aber wir machen, was wir wollen und verfallen dem Lustprinzip und die uns geschenkte Gnade verkommt zur billigen Gnade und Gott wird dabei zu unserem Kumpel, der alle Augen zudrückt und 5 gerade sein lässt.
Die Spannung, in die wir durch das Geschenk der Gnade gestellt sind, ist die Spannung zwischen unserm Galaterbrief und dem Jakobusbrief. Die Christen, denen Jakobus schrieb, lebten nicht, was sie glaubten und die Christen, denen Paulus schrieb, glaubten nicht, was sie lebten.
Für die Christen des Jakobus war Jesus nur der Gekreuzigte, aber nicht auch der Auferstandene durch den sie lebten und der in ihr Leben hineinredete und für die Christen aus Galatien war ein Gekreuzigter alleine nicht genug. Sie wollten Jesus dabei helfen das Heil zu vollenden.
Diese beiden Briefe beschreiben die Spannung in der wir Christen durch die Gnade Gottes gestellt sind.
- Entweder leben wir nicht, was wir glauben = Lustprinzip, billige Gnade
oder aber
- wir glauben nicht, was wir leben = Gesetzlichkeit, Selbstgerechtigkeit
Und beides ist katastrophal!
Ein christlicher Glaube ohne den auferstanden Jesus verkommt zur leblosen Phrase. Ein christlicher Glaube ohne den gekreuzigten Jesus verkommt zur gnadenlosen Selbstgerechtigkeit.
Entweder oder. In diese Spannung sind wir durch die Gnade Gottes gestellt und Paulus eröffnet uns hier einen dritten Weg. Es ist der schmale Weg zwischen der Gesetzlichkeit und dem Lustprinzip. Der Weg zwischen der Selbstgerechtigkeit und der Selbstsicherheit, zwischen einem erdrückenden ständig fordernden Gott und einem lieben Gott, den man nicht zu ernst nehmen sollte. Es ist der Weg zwischen den Lagern und zwischen den Strömungen. Es ist der Weg zwischen den Traditionalisten und den Progressiven, der Weg zwischen den Fundamentalisten und den Liberalen. Es ist der Weg zwischen Schwarz und weiß. Es ist der rote Weg dazwischen.
Sondern, sagt Paulus: Dient einander in Liebe oder besser noch: Durch die Liebe dient einander! An dieser Stelle hat die Werbung der SPD recht: Manche Dinge müssen einfach rot bleiben. Schließlich ist rot bekanntlicherweise die Farbe der Liebe. Rot ist auch die Farbe des Blutes, seines Blutes, das aus Liebe für uns geflossen ist, damit wir einander dienen können.
An Jesus haben wir Maß zu nehmen. Er ist der Weg dazwischen, zwischen der Gesetzlichkeit und dem Lustprinzip. So ist Jesus mit den Menschen umgegangen. Die gesetzlichen Pharisäer forderten zurecht dem Buchstaben nach den Tod der Ehebrecherin. Die Liberalen unserer Tage sagen: Es soll doch jeder nach seiner Fasson seine Sexualität ausleben, wie immer, wann immer und mit wem auch immer er will. Und Jesus geht den Weg dazwischen, wenn er der Frau in Johannes 8, Vers 11 sagt: Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!
Dient einander in Liebe! Durch die Liebe dient einander! Mit den Versen 14 und 15 begründet Paulus diesen dritten Weg.
Denn das ganze Gesetz ist in dem einen Wort zusammengefaßt: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!
Wenn ihr einander beißt und verschlingt, dann gebt acht, daß ihr euch nicht gegenseitig umbringt.
Dient einander in Liebe, denn
- die Erfüllung des Gesetzes ist Liebe in Aktion
und
- die Art und Weise wie ihr miteinander umgeht, wird euch umbringen
Die beiden Begründungen für den dritten Weg, den Weg zwischen Schwarz und Weiß, eben für den roten Weg, machen einerseits deutlich, was das Gesetz in Wahrheit will und andererseits wohin gesetzliches Christsein führt.
Die Erfüllung des Gesetzes ist Liebe in Aktion. Die 10 Gebote sind in Wahrheit zehn Freiheiten, die uns leben lassen. Wir haben sie nur zementiert und losgelöst von der Einleitung, wo es heißt: Ich bin der HERR, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft, geführt habe (2. Mose 20, Vers 2).
Joseph Wittig, der bekannte Glatzer Schriftsteller und ehemalige katholische Priester, macht in einem seiner Bücher darauf aufmerksam, daß die Verbote der zwei Tafeln Moses eigentlich lauten: "Du wirst nicht Gottes Namen mißbrauchen", "Du wirst nicht töten" - "... nicht ehebrechen, stehlen" usw. Die hebräische Sprache hat nämlich zwei verschiedene Verneinungsformen, die eine für Verbote, die andere für Aussagen. Seltsamerweise steht aber auf den Tafeln nicht der erwartete Ausdruck für Verbote - sondern die Partikel, die eine positive Aussage macht. So sind die Zehn Gebote gleichsam Verheißungen: "du wirst nicht" ... lieblos handeln, weil dich die Liebe Christi erneuern und rüsten wird. Es ist das Gleiche, was die Propheten erwähnen: "Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben" und "will solche Leute aus euch machen, die in meinen Geboten wandeln und meine Rechte halten und darnach tun". - Es gilt auch hier bei den Zehn Geboten: allein durch den Glauben!
Hans Brandenburg, Der Brief des Paulus an die Galater, Seite 116
Deshalb müssten wir statt von den 10 Geboten eigentlich von den 10 Angeboten sprechen. Weil es genau darum geht. Aber wir verstehen sie in der Regel eher als Verbote, denn als Angebote.
Ein Verbot sagt uns, was wir müssen
Ein Gebot sagt uns, was wir sollen
Ein Angebot sagt uns, was wir können
Der dritte Weg ist der Weg des Angebotes, der rote Weg, der Weg, den wir gehen können, weil wir durch Christus dazu befreit wurden. Dieser Weg ist der scheinbare Widerspruch, dass Paulus einerseits die Freiheit vom Gesetz fordert und zugleich aber eben nicht gesetzlos lebt.
Leben nach dem Buchstaben des Gesetzes ist letztlich lieblos, weil es den Mitmenschen immer nur liebt, wenn er sich auch als liebenswert erweist. Die Forderung des Gesetzes lautet: "Wenn - dann." Wenn dieses Denkmuster zum Maßstab für den Umgang untereinander wird, werden wir einander eben nur dann lieben, wenn der andere sich auch so verhält, dass er unsere Liebe verdient hat.
Der Weg der Gnade sagt: "Weil - deshalb." Wenn die uns geschenkte Gnade zum Maßstab für den Umgang untereinander wird, werden wir einander trotz unserer Unterschiedlichkeit lieben können, weil wir uns dazu willentlich und bewusst entscheiden, den anderen lieben zu wollen, auch wenn er uns überhaupt nicht sympathisch ist. Losgelöst von warmen Gefühlen für den anderen drückt sich unsere Entscheidung durch unsere Tat aus, indem wir dem anderen dienen, indem wir etwas für ihn tun.
Beim letzten Abendmahl hat Jesus seinen Jüngern nicht die Köpfe, sondern die Füße gewaschen. Er hat ihnen gedient und dann gesagt, Johannes 13, Verse 14 bis 15: Ich bin euer Herr und Lehrer, und doch habe ich euch soeben die Füße gewaschen. So sollt auch ihr euch gegenseitig die Füße waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.
Dient einander in Liebe. Durch die Liebe dient einander.
Das Abendmahl, dass wir eben miteinander gefeiert haben, ist nicht nur Zuspruch, dass wir beschenkt sind, sondern zugleich auch Anspruch das zu leben, was wir sind: Menschen, die Christus gehören und die aufgerufen sind durch die Liebe, die uns Christus geschenkt hat und die er uns vorgelebt hat, einander zu dienen.
Ein erster Schritt auf diesem Wege wäre, damit aufzuhören Schwarzweiß zu denken, zu reden und zu beurteilen und den anderen so zu sehen, wie er ist: als einen Menschen, der erstens von Gott unendlich geliebt ist und der zweitens genauso wie ich begrenzt und schuldbeladen ist und genauso wie ich auf Jesus angewiesen bleibt.
Dient einander in Liebe. Durch die Liebe dient einander.
Zwei Fragen bleiben noch:
- wer fängt an?
- wann fangen wir an?