Der amerikanische Schriftsteller William Faulkner wurde einmal von der Presse gebeten, das Wesen der amerikanischen Freiheit zu definieren. "Wir leben glücklicherweise in einem Land", erklärte Faulkner lächelnd, "indem jeder Mann tun kann, was seine Frau ihm erlaubt!"
Mit diesem "amüsanten" Hinweis wird etwas wesentliches über die Grenzen der Freiheit ausgesagt. Wenn ich Freiheit will und nicht versteckten Egoismus, dann hört meine Freiheit immer dort auf, wo mein Mitmensch beginnt! Alles andere hat nichts mit Freiheit zu tun, sondern mit Egoismus, Ausbeutung und Versklavung.
Grenzenlose Freiheit ist eine begrenzte Träumerei, oder aber sie führt zur Unterdrückung anderer. Wo der andere beginnt, hört meine Freiheit auf!
Grenzenlose Freiheit grenzt aber nicht nur meinen Mitmenschen ein, sondern sie grenzt mich auch selbst ein und führt in die Abhängigkeit.
Herbert Grönemeyer zeigt mit seinem Lied "Keine Heimat" von der LP "Ö", wohin grenzenlose Freiheit führt, wenn er im Refrain singt:
Die Seele verhökert, alles sinnentleert, keine innere Heimat, keine Heimat mehr!Das sollten wir im Hinterkopf behalten, wenn wir Paulus in Galater 5 über die Freiheit reden hören. Er redet – wie der 13. Vers des 5. Kapitels sehr deutlich macht – nicht einer grenzenlosen Freiheit das Wort.
Galater 5, Verse 1 bis 12 (Gute Nachricht): Christus hat uns befreit; er will, dass wir jetzt auch frei bleiben. Steht also fest und lasst euch nicht wieder ins Sklavenjoch einspannen!
Ich, Paulus, sage euch mit aller Deutlichkeit: Wenn ihr euch beschneiden lasst, dann wird Christus und alles, was er gebracht hat, für euch nutzlos sein. Ich sage noch einmal mit Nachdruck jedem, der sich beschneiden lässt: Er verpflichtet sich damit, das ganze Gesetz zu befolgen. Wenn ihr wirklich vor Gott als gerecht bestehen wollt, indem ihr das Gesetz befolgt, habt ihr euch von Christus losgesagt und die Gnade vertan.
Wir dagegen leben aus der Kraft des Heiligen Geistes und setzen alles auf Glauben und Vertrauen, und so erwarten wir das Ziel, auf das wir hoffen dürfen: dass wir vor Gott als gerecht bestehen und das Heil erlangen werden. Wo Menschen mit Jesus Christus verbunden sind, zählt nicht, ob jemand beschnitten ist oder nicht. Es zählt nur der vertrauende Glaube, der sich in tätiger Liebe auswirkt.
Ihr kamt so gut voran! Wer hat euch aufgehalten, dass ihr der Wahrheit nicht mehr folgen wollt? Das, was man euch da einreden will, kommt nicht von Gott, der euch berufen hat. Denkt daran: »Ein klein wenig Sauerteig macht den ganzen Teig sauer.«
Weil ich mit Christus, dem Herrn, rechne, bin ich zuversichtlich, dass ihr zur gleichen Überzeugung kommen werdet.
Die, die euch irremachen, werden ihr Urteil empfangen, ganz gleich, wer sie sind. Meine Brüder und Schwestern, wenn ich selbst fordern würde, dass Christen sich beschneiden lassen müssen, wie manche mir unterstellen: Warum werde ich dann noch verfolgt? Dann wäre ja der Stein des Anstoßes beseitigt, dass wir allein durch das gerettet werden, was am Kreuz für uns geschehen ist.
Wenn die Leute, die euch aufhetzen, schon so viel Wert aufs Beschneiden legen, dann sollen sie sich doch gleich kastrieren lassen!
Mit unserem Text fasst Paulus seine vorher gesagten Gedanken zum Thema Gesetz und Gnade noch einmal zusammen und bringt sie auf den Punkt: "Zur Freiheit hat uns Christus befreit." Monoton erklingt hier nicht zum letzten Mal, und schon wieder sein "allein Christus".
Mit diesen zwölf Versen beendet Paulus seine leidenschaftliche Argumentation gegen jegliche Gesetzlichkeit und das Leben nach den Regeln und Forderungen des Gesetzes, indem er jetzt die Freiheit ins Spiel bringt:
Zur Freiheit hat uns Christus befreit. Bleibt daher fest und lasst euch nicht von neuem das Joch der Knechtschaft auflegen!Dabei ist wichtig zu sehen, dass Paulus hier aber nicht einer grenzenlosen Freiheit das Wort redet, sondern die Freiheit in einem klaren Bezug zu Christus stellt.
Christen sind befreit vom Gesetz und jeglicher Gesetzlichkeit, um jetzt aber eben nicht tun und lassen zu können, was sie wollen. Das würde sie selbst und andere in eine neue Versklavung führen und wäre nichts weiter als versteckter Egoismus unter dem Deckmantel einer so genannten christlichen Freiheit.
Christen sind befreit vom Gesetz und damit zugleich aber auch immer befreit für den zu leben, der sie befreit hat: Christus.
Freiheit gibt es immer nur in der Bindung. Die Freiheit, die wir als Menschen haben, ist letztlich immer nur eine Entscheidungsfreiheit. Die Freiheit, dass wir uns aussuchen können, wem wir dienen wollen, wer unser Herr ist:
Christus oder das Gesetz?
Freiheit im Vollsinn des Wortes gibt es nicht! Wirkliche Freiheit gibt es immer nur in der Bindung. Martin Luther hat es auf den Punkt gebracht, wenn er sagt:
Der Mensch ist ein Gaul - zum Glück hat er nicht gesagt der Mensch ist ein Ochse - und wird geritten, entweder von Gott, oder vom Teufel!Dasselbe in anderen Worten findet man bei Peter Maffay und seinem Lied "Spiel um deine Seele" auf der LP "Lange Schatten". Der Teufel spielt mit Gott eine Runde Schach um die Seelen der Menschen und um die Welt. Im Refrain dieses Liedes werden die Zuhörer angesprochen:
Spiel um deine Seele. Spiel um dein Gesicht. Wer hat die Macht? Die Macht über dich?Wirkliche Freiheit gibt es nur in der Bindung. Unsere Freiheit besteht also darin, dass wir uns aussuchen können, wer unser Leben bestimmen soll: Jesus oder das Gesetz?
Die Freiheit, die wir als Menschen haben, ist letztlich eine Entscheidungsfreiheit, wem soll unser Leben gehören – wer soll die Macht über uns haben?
In den nächsten Versen macht Paulus unmissverständlich klar, dass es nur einen geben kann, der uns bestimmt. Entweder das Gesetz oder Christus.
Hört, was ich, Paulus, euch sage: Wenn ihr euch beschneiden lasst, wird Christus euch nichts nützen. Ich versichere noch einmal jedem, der sich beschneiden lässt: Er ist verpflichtet, das ganze Gesetz zu halten. Wenn ihr also durch das Gesetz gerecht werden wollt, dann habt ihr mit Christus nichts mehr zu tun; ihr seid aus der Gnade herausgefallen.
Christus ist nur alleine zu haben. Genauso wie uns umgekehrt ja auch das Gesetz letztlich für sich alleine haben will. Paulus schlägt diese scharfen und klaren Töne an, um die Gefahr deutlich zu machen, in der sich die Galater und jeder Christ befindet, der durch das Einhalten von Regeln und Gesetzen sein Heil finden will. Christus und – in diesen Versen die Beschneidung - bedeutet immer ohne Christus!
Gott hat uns in Christus alles geschenkt. Dem haben wir nichts – aber auch gar nichts – hinzuzufügen. Wenn wir dem Handeln Gottes in Christus etwas hinzufügen, sagen wir damit, dass sein Tod am Kreuz nicht gereicht hat um uns zu erlösen. Das es eben auch noch auf unsere Beschneidung – um in diesen Versen zu bleiben – ankommt.
Damit fallen wir dann ganz automatisch aus der Gnade, weil wir durch unser Handeln deutlich machen, dass das, was Jesus für uns tat, nicht ausreicht. Wir wollen es durch unsere eigenen Anstrengungen erreichen und wollen uns nicht unverdient beschenken lassen. Paulus geht hier exemplarisch auf die Beschneidung ein, die Gott bei Abraham als Bundeszeichen eingesetzt hat, um damit sein Volk zu kennzeichnen. Die Beschneidung war in alttestamentlicher Zeit von Gott selbst quasi als Ausweis zur Zugehörigkeit des Volkes Gottes eingesetzt worden. Die Beschneidung gehört zu einem Juden wie für uns Christen die Feier des Abendmahls. So weit so gut.
Doch seit Karfreitag und Ostern ist an die Stelle der Beschneidung als Zeichen zur Zugehörigkeit des Volkes Gottes der Glaube an den Sohn Gottes getreten.
Doch den gesetzestreuen Judenchristen aus Jerusalem reichte das nicht. So sind sie zu den Christen aus Galatien gekommen und haben ihnen gesagt: "Wenn ihr wirkliche Christen sein wollt, wenn ihr Gott wirklich dienen wollt, dann müsst ihr euch auch noch beschneiden lassen. Das ihr an Jesus glaubt ist schön und gut und ganz wichtig und hat euch ja auch zu Christen gemacht. Aber die Beschneidung macht euch erst zu richtigen Christen."
So wurde eine an sich gute – und von Gott ja sogar selbst eingesetzte Sache – zu etwas, was wichtiger als Gott wurde und eine Stellung bei den Galatern einnahm, die allein Christus vorbehalten ist.
Deshalb fährt Paulus so massive Geschütze auf.
Wenn Christus euch alleine nicht reicht und ihr meint euch zusätzlich auch noch beschneiden lassen zu müssen, seid ihr damit erstens aus der Gnade gefallen und zweitens verpflichtet auch noch den Rest des Gesetzes einzuhalten und zu erfüllen.
Entweder vertraut ihr darauf, dass Christus alleine reicht zum Leben und zum Sterben oder aber ihr müsst sehen, das ihr durch das Einhalten der Gesetze euch den Himmel verdient. Denn Christus ist nur allein zu haben. Wem das Kreuz nicht reicht, der muss sich einen anderen Weg suchen. Paulus und seinen Mitarbeitern reicht das völlig aus, was Christus tat und sie werden auf den Weg des Glaubens bleiben, ob die Galater mit ihnen gehen oder nicht. So macht er es ihnen mit dem 5. Vers unmissverständlich klar:
Wir aber erwarten die erhoffte Gerechtigkeit kraft des Geistes und aufgrund des Glaubens.Leidenschaftlich versucht der Apostel die Gemeinde, die er ja gegründet hat, wieder auf den richtigen Weg zu führen und er kann nicht verstehen, weshalb sie sich vom richtigen Weg abbringen ließen. Er kann sich das nur so erklären, dass sich die Galater durch die gesetzestreuen Judenchristen beeinflussen ließen. Doch er vertraut darauf, dass die Galater wieder zurück auf den Weg des Glaubens finden. Diejenigen, die die Galater verwirrt und überredet haben, sich auf den Weg des Gesetzes einzulassen, bezeichnet er als Irrlehrer und Sauerteig und erwartet das gerechte Urteil Gottes für sie. Die Gesetzestreuen haben sogar Paulus selbst als Beispiel missbraucht und behauptet, er predigt doch auch die Beschneidung.
Richtig ist, dass Paulus nach Apostelgeschichte 16, Verse 1 bis 3 Timotheus nahe legte sich um der Juden willen beschneiden zu lassen, weil dieser der Sohn einer jüdischen Mutter, also ein Judenchrist war und er ihn auf seinem Missionseinsatz unter Juden mitnehmen wollte. Falsch ist allerdings das Paulus die Beschneidung für die Heidenchristen forderte. Dann würde man mich ja nicht verfolgen, entgegnet Paulus hier. Dann wäre das Kreuz auch kein Ärgernis mehr für die Gesetzestreuen, denen Christus alleine nicht reicht. Und zum guten Schluss wird er sogar sarkastisch und sagt:
Diese Leute, die Unruhe bei euch stiften, sollen sich doch gleich entmannen lassen.Exemplarisch am Beispiel der Beschneidung macht Paulus deutlich, wie eine an sich gute Sache zu wichtig wird und an die Stelle Christi tritt. So war es ja z.B. auch mit der ehernen Schlange, die Mose auf Grund der Anweisung Gottes errichten sollte, 4. Mose 21, Verse 8 bis 9:
Der HERR sagte zu ihm: »Fertige eine Schlange an und befestige sie oben an einer Stange. Wer gebissen wird, soll dieses Bild ansehen, dann wird er nicht sterben!« Mose machte eine Schlange aus Bronze und befestigte sie an einer Stange. Wer gebissen wurde und auf diese Schlange sah, blieb am Leben.Jahre später heißt es dann im 2. Buch Könige 18, Vers 4:
Er zerschlug auch die bronzene Schlange, die Mose gemacht hatte. Bis in die Tage Hiskijas hatten die Israeliten Weihrauch vor ihr verbrannt; sie nannten sie Nehuschtan.Die eherne Schlange – von Mose auf die Anweisung Gottes angefertigt trat an die Stelle Gottes.
Wir stehen als Christen tatsächlich immer wieder in der Gefahr an sich gute und von Gott selbst gegebene Dinge zu vergöttern und an die Stelle Christi zu setzen. Das hat nichts mit konservativ oder progressiv zu tun, mit evangelikal oder charismatisch. In dieser Gefahr steht jeder von uns, egal aus welcher Tradition oder Prägung er auch immer kommt. Da hat jemand eine bestimmte Erfahrung gemacht, die für ihn segensreich war und steht jetzt in der Gefahr auch allen anderen seine Erfahrung nahe bringen zu wollen und auf einmal wird diese gemachte Erfahrung zu einer Sache, die wichtiger wird als Christus. Alles und jedes – so gut und richtig die Sache auch immer sei – kann tatsächlich für uns eine Stellung einnehmen, die allein Christus vorbehalten ist.
Das kann ein bestimmter Redner sein, durch den einer besonders gesegnet wurde. Oder eine bestimmte Gemeinde, wo man Gott besonders intensiv erlebte. Oder eine bestimmte Gebetserfahrung, von der man jetzt meint nur so sei es richtig. Alles und jedes – tatsächlich – kann gesetzlich missbraucht werden und damit für uns eine Stellung einnehmen, die allein Christus vorbehalten ist.
Statt "Tradition"
Traditionen, Erfahrungen, Prägungen usw. sind wichtig und wertvoll und wir sollten sie uns auch nicht madig machen lassen. Aber wir sollten sie als das ansehen, was sie sind: Laternenpfähle auf unserem Weg mit Jesus. Sie beleuchten unseren Weg. Aber sie sind nicht zum Festhalten gedacht!
Vers 6:
Wo Menschen mit Jesus Christus verbunden sind, zählt nicht, ob jemand beschnitten ist oder nicht. Es zählt nur der vertrauende Glaube, der sich in tätiger Liebe auswirkt.Darauf kommt es letztlich an: Auf vertrauenden Glauben, der sich in aktiver Liebe auswirkt. Damit kommt Paulus auf ein anderes Missverständnis zu sprechen, dem wir genauso erliegen können wie der Gesetzlichkeit, dass der Glaube eine passive Herzensangelegenheit wäre, das die Freiheit in Christus mit billiger Gnade verwechselt wird.
GESETZ |
GNADE |
Verdienst |
Geschenk |
kommt auf mich an |
kommt auf Christus an |
erfüllt Normen |
lebt aus dem Vollen |
Zwang |
Freiheit |
Opfer |
Hingabe |
Angst |
Vertrauen |
Sklave |
Kind |
Langeweile |
Liebe |
Buchstaben (Sache) |
Jesus (Person) |
Martin Luther hat die Spannung, in die wir Christen gestellt sind, so formuliert:
Ein Christ ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan. Ein Christ ist ein dienstbarer Knecht und jedermann untertan!