Gott verpflichtet und nicht den Menschen

Galater 1, Vers 10 bis Kapitel 2, Vers 10: Rede ich so, wie die Menschen es hören wollen, oder geht es mir darum, Gott zu gefallen? Erwarte ich, daß die Menschen mir Beifall klatschen? Dann würde ich nicht länger Christus dienen. Ihr könnt sicher sein, liebe Brüder: Das Evangelium, wie ich es euch gelehrt habe, ist nicht das Ergebnis menschlicher Überlegungen. Denn auch mir hat es niemand überliefert, kein Mensch hat es mich gelehrt. Jesus Christus selbst ist mir erschienen und hat mir sein Evangelium offenbart. Ihr wißt sicherlich, wie ich als strenggläubiger Jude gelebt habe, daß ich die Christen überall unbarmherzig verfolgte und ihre Gemeinden zerstören wollte. Mein Fanatismus, mit dem ich mich für den jüdischen Glauben einsetzte, wurde von keinem meiner Altersgenossen in unserem Volk erreicht. Ich wollte unbedingt die überlieferten Gesetze unserer Väter buchstabengetreu erfüllen. Aber Gott hatte mich in seiner Gnade schon vor meiner Geburt dazu bestimmt, ihm einmal zu dienen. Als die Zeit dafür gekommen war, ließ er mich Jesus Christus sehen und erkennen. Die anderen Völker sollten durch mich erfahren, daß Jesus ihr Retter ist. Ohne zu zögern, habe ich diesen Auftrag angenommen und keinen Menschen um Rat gefragt. Ich bin nicht einmal nach Jerusalem gereist, um die nach ihrer Meinung zu fragen, die schon vor mir Gottes Botschafter waren. Nein, ich bin sofort nach Arabien gezogen und von dort wieder nach Damaskus zurückgekehrt.

Erst drei Jahre später kam ich nach Jerusalem, weil ich Petrus kennenlernen wollte. Fünfzehn Tage bin ich damals bei ihm geblieben. Von den anderen Aposteln habe ich bei diesem Aufenthalt keinen gesehen, außer Jakobus, den Bruder unseres Herrn. Gott weiß, daß alles wahr ist, was ich euch sage. Danach bin ich in den Gebieten von Syrien und Zilizien gewesen, um dort das Evangelium zu verkündigen. Die christlichen Gemeinden in Judäa haben mich damals noch nicht persönlich gekannt. Nur vom Hörensagen wußten sie: «Der Mann, der uns früher verfolgt hat, verkündigt jetzt selbst die Botschaft von Christus , die er früher so erbittert bekämpfte.» Und sie dankten Gott für alles, was er an mir getan hat.

Erst vierzehn Jahre später bin ich - zusammen mit Barnabas und Titus - wieder nach Jerusalem gekommen. Gott selbst hatte mir den Auftrag zu dieser Reise gegeben. In Jerusalem habe ich der Gemeinde - vor allem ihren führenden Männern - vorgetragen, was ich den Menschen aus anderen Völkern verkündige. Ich wollte sicher sein, daß ich nicht vergeblich arbeite oder bisher gearbeitet habe, indem ich etwas anderes lehrte als sie. Alle Verantwortlichen stimmten meiner Arbeit zu. Nicht einmal von Titus, meinem griechischen Reisebegleiter, wurde verlangt, daß er sich beschneiden läßt. Die Frage der Beschneidung wäre überhaupt nicht zum Problem geworden, wären da nicht einige falsche «Brüder» gewesen, die hinter meinem Rücken spioniert hatten. Sie wollten unbedingt beweisen, daß ich die Freiheit mißbrauche, die uns Christus schenkt, und erwarteten, daß wir uns wieder ihren Gesetzen unterwerfen. Aber wir haben ihnen keinen Augenblick nachgegeben und ihnen in keinem einzigen Punkt zugestimmt. Denn für uns ist nur eins wichtig: daß euch die Wahrheit des Evangeliums erhalten bleibt. Die verantwortlichen Männer in der Gemeinde - wobei es mir unwichtig ist, was sie früher einmal waren; denn das ist vor Gott ganz ohne Bedeutung -, diese Männer haben mir jedenfalls keine Vorschriften gemacht. Im Gegenteil! Ihnen ist klar geworden, daß Gott mir den Auftrag gegeben hat, den nichtjüdischen Völkern die Botschaft von Christus zu verkündigen, so wie er Petrus aufgetragen hat, sie den Juden zu bringen. Denn alle konnten sehen, daß meine Arbeit als Apostel ebenso von Gott bestätigt wurde wie die des Petrus. Und nachdem Jakobus, Petrus und Johannes erkannt hatten, daß Gott mir diesen besonderen Auftrag gegeben hat, da gaben sie mir und Barnabas brüderlich die Hand. Wir einigten uns, daß sie das Evangelium weiter unter den Juden verkündigen sollten und wir unter den anderen Völkern. Nur um eins haben sie uns gebeten: daß wir die Armen in der Gemeinde von Jerusalem nicht vergessen sollten. Und dafür habe ich mich auch immer eingesetzt.

In diesen 25 Versen erklärt Paulus ausführlich das, was er im 1. Vers bereits kurz andeutete: Paulus, zum Apostel berufen, nicht von Menschen oder durch einen Menschen und zum anderen scheint er hier auf massive und konkrete Vorwürfe der Gemeinde zu antworten:

"Du willst doch nur Menschen überreden!"

"Du willst doch bloß menschliche Anerkennung!"

"Es geht doch bloß um Dein eigenes Evangelium - um das des Paulus!"

und vielleicht auch:

"Du willst mit uns doch bloß in Jerusalem Eindruck schinden!"

Auf diese Vorwürfe geht Paulus hier ein. Dabei geht es ihm aber gerade nicht um die menschliche Anerkennung der Christen aus Galatien - die dürfte er sich mit den Versen 6 bis 9 sowieso verspielt haben - ihm geht es um das Evangelium, um die Hauptsache und um den Glauben der jungen Christen in Galatien, den er aufs Äußerste bedroht sieht.

Auch wenn Paulus hier lang und breit von sich selbst berichtet, geht es ihm einzig und allein um das Evangelium von Jesus Christus - die Hauptsache des christlichen Glaubens - die bei den Galatern zur Nebensache zu verkommen drohte.

Paulus holt hier weit aus und beginnt mit seiner eigenen Geschichte, mit seiner Bekehrung, die gleichzeitig auch seine Berufung zum Missionar unter den Heiden bedeutete. Dabei war er von Hause aus alles andere als christusgläubig. Er war ein Christenhasser und er war dabei als man Stephanus - den ersten Märtyrer der Gemeinde Jesu - steinigte (Apostelgeschichte 7, Vers 58). Ausgestattet und autorisiert mit den entsprechenden Vollmachten des Hohenpriesters von Jerusalem war er auf dem Weg nach Damaskus um die dortigen Christen dingfest zu machen, Apostelgeschichte 9, Verse 1 bis 2: Saulus wütete immer noch mit Drohung und Mord gegen die Jünger des Herrn. Er ging zum Hohenpriester und erbat sich von ihm Briefe an die Synagogen in Damaskus, um die Anhänger des (neuen) Weges, Männer und Frauen, die er dort finde, zu fesseln und nach Jerusalem zu bringen. Unterwegs aber, als er sich bereits Damaskus näherte, geschah es. Aus dem Saulus wird ein Paulus. Jesus selbst stellt sich ihm in den Weg und Paulus bekehrt sich und wird zum Heidenmissionar berufen.

Kein Mensch hat ihm das Evangelium erklärt, Jesus selbst hatte sich Paulus in den Weg gestellt und nur eine Woche später verkündigt Paulus in der Synagoge von Damaskus bereits: Jesus ist der Sohn Gottes!

Erst drei Jahre später kommt es zu einer ersten Begegnung von Paulus mit Petrus in Jerusalem. Apostelgeschichte 9, Verse 26 bis 28: Als er nach Jerusalem kam, versuchte er, sich den Jüngern anzuschließen. Aber alle fürchteten sich vor ihm und konnten nicht glauben, daß er ein Jünger war. Barnabas jedoch nahm sich seiner an und brachte ihn zu den Aposteln. Er erzählte ihnen, wie Saulus auf dem Weg den Herrn gesehen habe und daß dieser mit ihm gesprochen habe und wie er in Damaskus mutig und offen im Namen Jesu aufgetreten sei. So ging er bei ihnen in Jerusalem ein und aus, trat unerschrocken im Namen des Herrn auf.

Wenn ich ein falsches Evangelium oder mein eigenes Evangelium, oder ein nicht ausreichendes Evangelium verkündigen würde, meint ihr - so argumentiert Paulus hier - Petrus und die anderen hätten mich predigen und gehen lassen? Sie haben mich in meinem Dienst bestätigt!

14 Jahre nach seiner Bekehrung - im Jahr 46 n. Christus - geht er erneut nach Jerusalem, nicht weil er bestellt wurde und Rechenschaft wegen seiner Evangeliumsverkündigung abzulegen hat, sondern - wie er selber sagt - aufgrund einer Offenbarung.

Dreimal gebraucht er dieses Wort in diesen 25 Versen: Für seine Bekehrung und Berufung - sein Damaskuserlebnis - und jetzt und hier für seine Beauftragung zur Heidenmission durch Petrus, Jakobus und Johannes, die Angesehenen und Gemeindeleiter von Jerusalem.

Weder meine Bekehrung - argumentiert Paulus - noch meine Berufung oder meine Bestätigung noch meine Beauftragung sind meine eigenen menschlichen Gedanken oder die Idee eines anderen Menschen gewesen, sondern es war eine Offenbarung Gottes. Jesus selbst ist mir erschienen und hat mir sein Evangelium offenbart. Im großen Kapitel über die Auferstehung Jesu - 1. Korinther 15, schreibt er: Als letztem von allen erschien er auch mir, dem Unerwarteten, der «Mißgeburt». Denn ich bin der geringste von den Aposteln; ich bin nicht wert, Apostel genannt zu werden, weil ich die Kirche Gottes verfolgt habe (1. Korinther 15, Verse 8 bis 9).

Bei der Offenbarung, die ihn 14 Jahre nach seiner Bekehrung wieder nach Jerusalem führt, dürfte es sich um die Ankündigung einer Hungersnot handeln, die zur Geldsammlung für die Christen in Jerusalem führte, Apostelgeschichte 11, Verse 27 bis 30: In jenen Tagen kamen von Jerusalem Propheten nach Antiochia hinab. Einer von ihnen namens Agabus trat auf und weissagte durch den Geist, eine große Hungersnot werde über die ganze Erde kommen. Sie brach dann unter Klaudius aus. Man beschloß, jeder von den Jüngern solle nach seinem Vermögen den Brüdern in Judäa etwas zur Unterstützung senden. Das taten sie auch und schickten ihre Gaben durch Barnabas und Saulus an die Ältesten.

Was Paulus hier in 25 Versen berichtet, dazu hat Lukas in der Apostelgeschichte 3 Kapitel gebraucht, die Kapitel 9 bis 11.

Es geht Paulus um das Evangelium und darum das den Heidenchristen nicht unnötige zusätzliche Lasten auferlegt werden.

Wir schreiben das Jahr 46 n. Christus. In der noch jungen Gemeinde Jesu - die gerade mal 16 Jahre alt ist - gibt es bereits 2 Gruppen und 2 Lager:

- die Judenchristen

- die Heidenchristen

Petrus, Jakobus, Johannes und Paulus sind sich darüber einig, daß die Heidenchristen nicht wie die aus dem Judentum gläubig gewordenen Christen auch noch das mosaische Gesetz einhalten müssen, um wirkliche Christen sein zu können. Das Evangelium, daß ich verkündige ist dasselbe Evangelium - so argumentiert Paulus hier - das auch Petrus, Jakobus und Johannes verkündigen. Ja sogar der unbeschnittene Titus wurde als Bruder von den angesehenen Brüdern aufgenommen. Ihr könnt euch also nicht auf die Säulen der Gemeinde Jesu berufen, wenn ihr euch auf das Gesetz beruft!

Es gibt nur ein Evangelium von Jesus Christus und das ist das Evangelium das ich den Heiden verkündige und das Petrus den Juden verkündigt. Per Handschlag wurde ich dazu sogar von den Angesehenen beauftragt.

14 Jahre von Paulus stecken in diesen 25 Versen. Seine Bekehrung und Berufung, seine Bestätigung und Beauftragung. Und danach erst kommt das, was zur Entstehung der Gemeinden in der römischen Provinz Galatien geführt hat und mit der Aussendung zur 1. Missionsreise beginnt, Apostelgeschichte 13, Verse 1 bis 3: In der Gemeinde von Antiochia gab es Propheten und Lehrer: Barnabas und Simeon, genannt Niger, Luzius von Zyrene, Manaën, ein Jugendgefährte des Tetrarchen Herodes, und Saulus. Als sie zu Ehren des Herrn Gottesdienst feierten und fasteten, sprach der Heilige Geist: Wählt mir Barnabas und Saulus zu dem Werk aus, zu dem ich sie mir berufen habe. Da fasteten und beteten sie, legten ihnen die Hände auf und ließen sie ziehen.

In den weiteren Versen des 13. und vor allem des. 14. Kapitels der Apostelgeschichte können wir von der Entstehung der Gemeinden in der römischen Provinz Kleinasien lesen.

Neben seinem leidenschaftlichem "Jesus allein" sind es vier Dinge, die wir hier von Paulus mitnehmen können:

 

1. Unsere Biographie ist wichtig

Woher komme ich?

Paulus hat nie vergessen wer er war und er sieht rückblickend das es Gottes Wille und Berufung war, als "von Mutterleib an" berufen sieht er sich. Klar, ohne seine Bekehrung wäre seine Biographie völlig anders verlaufen und er wäre nicht als Heidenmissionar in die Geschichte eingegangen, sondern als ein gesetzestreuer Jude, der die Christen ausradierte. Durch unsere Bekehrung wird unsere Herkunft neu beleuchtet und unsere Zukunft anders geschrieben.

Woher komme ich?

 

2. Unsere Motivation ist entscheidend

Weshalb tue ich das?

Paulus hat nicht für die Anerkennung durch Menschen gelebt, sondern er ist seiner Berufung gefolgt. Die zwei Fragen des 10. Verses begleiten Mitarbeiter Gottes zu allen Zeiten und auf allen Wegen:

- Rede ich so, wie die Menschen es hören wollen, oder geht es mir darum, Gott zu gefallen?

- Erwarte ich, daß die Menschen mir Beifall klatschen? Dann würde ich nicht länger Christus dienen.

Weshalb tue ich das?

 

3. Unsere Geduld ist gefragt

Wann soll ich es tun?

14 Jahre nach seiner Bekehrung, Berufung und Bestätigung wird er von Petrus, Jakobus und Johannes zur Heidenmission beauftragt und dann dauert es noch 1 bis 2 Jahre bis es tatsächlich zur 1. Missionsreise kommt. Gott hat einen sehr langen Atem!

Wann soll ich es tun?

 

4. Unsere Abhängigkeit ist ausschlaggebend

Wem bin ich verpflichtet?

Paulus fühlt sich allein Gott verpflichtet und nicht den Menschen. Dabei lebt er aber nicht als Einzelkämpfer, sondern in einer ganz engen Bruderschaft mit Barnabas und Titus und vielen anderen mehr und darüber hinaus unterstellt er sich der Gemeindeleitung in Jerusalem und verantwortet seinen Dienst vor ihnen.

In dieser Spannung stehen alle Mitarbeiter Gottes: Allein Gott verpflichtet und dadurch unabhängig von den Menschen und gleichzeitig zusammengestellt mit Brüdern und Schwestern im schönen schweren Miteinander und den jeweiligen Verantwortlichen unterstellt.

Wem bin ich verpflichtet?



Krefeld, den 26. September 1999
Pastor Siegfried Ochs



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