Der Anlaß des Briefes

Gestern gab es eine Gute Nachricht in der Zeitung: "Eine Stadt schenkt ihren Bürgern Geld." Gersthofens Bürgermeister Siegfried Deffner will seinen Bürgern etwas Gutes tun: 100 Mark soll jeder der 20 000 Einwohner der Stadt im Norden von Augsburg aus dem prall gefüllten Stadtsäckel bekommen - als Geschenk.

Dabei ist für den Journalisten "nur eine schlechte Nachricht auch eine gute Nachricht". Und nicht nur für die Journalisten, auch wir leben von den schlechten Nachrichten und selbst vor den Toren der Gemeinde Gottes macht diese Tendenz ja nicht halt.

An dieser Stelle sind wir dem deutschen Zeitgeist auch als Christen voll und ganz auf dem Leim gegangen. Denn in der Regel fällt es uns erheblich leichter schlechte Nachrichten zu verkündigen, als dankbar von dem zu sprechen was wir an Gutem und Schönem erleben. Ich bilde da keine Ausnahme. Wir leben nun einmal mitten drin in unserer Gesellschaft und haben es gelernt, kontrovers zu diskutieren, zu problematisieren und zu kritisieren, statt einander das Gute mitzuteilen und von den großen Taten Gottes in unserem Leben zu sprechen. Und falls es doch einmal einer wagt, zeugnishaft und dankbar von dem zu erzählen, was Gott an ihm getan hat, hört sich das für uns gleich verdächtig schwärmerisch an.

Dabei leben wir doch gerade als Christen von einer guten Nachricht, vom Evangelium.

Galater 1, Verse 1 bis 9: Diesen Brief schreibt Paulus, der Apostel. Ich schreibe ihn als einer, der seinen Auftrag nicht von Menschen erhalten hat, auch nicht durch menschliche Vermittlung, sondern von Jesus Christus und von Gott, dem Vater, der Jesus vom Tod auferweckt hat. Zusammen mit allen Brüdern und Schwestern, die bei mir sind, grüße ich die Gemeinden in Galatien: Gnade und Frieden sei mit euch von Gott, unserem Vater, und von Jesus Christus, dem Herrn, der sein Leben für unsere Sünden hingegeben hat. Das tat er, um uns aus der gegenwärtigen Welt zu befreien, die vom Bösen beherrscht wird. So war es der Wille Gottes, unseres Vaters - er sei in alle Ewigkeit gepriesen! Amen.

Ich wundere mich über euch! Gott hat euch durch die Gute Nachricht dazu berufen, daß ihr unter der Gnade steht, die Christus gebracht hat. Und nun kehrt ihr ihm so schnell den Rücken und wendet euch einer anderen Guten Nachricht zu! Es gibt in Wirklichkeit gar keine andere; es gibt nur gewisse Leute, die unter euch Verwirrung stiften. Sie wollen die Gute Nachricht von Christus in ihr Gegenteil verkehren. Aber nicht einmal ich selbst oder ein Engel vom Himmel darf euch eine Gute Nachricht bringen, die der widerspricht, die ich euch gebracht habe. Wer es tut, soll verflucht sein, dem Gericht Gottes übergeben! Ich habe es euch schon früher eingeschärft und wiederhole es jetzt: Wer euch eine andere Gute Nachricht bringt als die, die ihr angenommen habt, soll verflucht sein, dem Gericht Gottes übergeben!

Als Christen leben wir von einer guten Nachricht. Wir leben vom Evangelium. Allerdings wurde für die Galater aus der Guten Nachricht des Evangeliums eine verfälschte und erdrückende Nachricht. Es hieß für die Christen in der römischen Provinz Galatien, Bewohnern von Antiochia, Lystra, Ikonion und Derbe - Orten der heutigen Türkei - nicht mehr Jesus alleine, sondern Jesus und!

Für diese Christen stand nicht mehr das Kreuz im Mittelpunkt, sondern das, was wir als Christen zu tun und zu lassen haben. Nicht mehr Jesus alleine, sondern Jesus und meine frommen Taten. Diese Christen lebten nicht mehr von der Guten Nachricht des Evangeliums, daß uns der Himmel aus Gnade geschenkt wird, sondern aus der Nachricht des Gesetzes, daß wir uns den Himmel erst verdienen müssen. Für sie zählte nicht mehr das Geschenk der Gnade, sondern nur noch das, was sie selbst an eigenen Werken leisteten.

Deshalb reagiert Paulus mit so scharfen Worten und gebraucht hier seine von Jesus verliehene Autorität, indem er die Lehrer eines anderen Evangeliums dem Gerichtsurteil Gottes unterstellt. "Anathema" sagt Paulus über alle, die die Jesusbotschaft verfälschen. Dies Wort bezeichnet ursprünglich eine Sache oder Person als hingegeben an Gott. So wurde die Opfergabe genannt. Im weiteren Sinne aber - und so ist es hier gemeint - bedeutet es die Auslieferung an den Zorn Gottes und an sein Gericht. Es geht also nicht nur um einen formalen Ausschluß aus der Gemeinde. Der Irrlehrer wird dem göttlichen Gericht überwiesen. Gott soll ihn richten.

Luthers Übersetzung: "der sei verflucht" klingt für unser Ohr zu belastend, da wir unter Fluch den sündigen Wunsch verstehen, daß Gott dem andern Böses antun soll. Davon kann hier keine Rede sein. Gott tut nicht Böses, auch wenn er uns im Zorn richtet.

Paulus handelt hier nach dem Auftrag Jesu, der seinen Jüngern nicht nur sagt: Was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel gelöst sein, sondern auch: Was ihr auf Erden binden werdet, soll auch im Himmel gebunden sein (Matthäus 16, Vers 19, Kapitel 18, Vers 18 und Johannes 20, Vers 23). So überstellt er die Irrlehrer - die Verdreher der Guten Nachricht des Evangeliums - dem Gericht Gottes.

Diese massiven Worte gleich am Anfang seines Briefes an die Christen in der römischen Provinz Galatien machen deutlich, daß es hier nicht um eine Kleinigkeit geht, sondern tatsächlich um Alles oder Nichts. Der Galaterbrief ist der einzige Brief den Paulus an christliche Gemeinden schrieb, ohne den im Eingangsteil sonst für ihn üblichen Dank an die jeweiligen Christen.

Für die Römer, Epheser, Philipper, Kolosser, Thessalonicher und selbst für die Korinther kann Paulus Gott von Herzen danken, aber nicht für die Galater.

Stattdessen kommt Paulus nach dem üblichen Briefeingang - den Versen 1 bis 5 - mit dem 6. Vers gleich zur Sache, zum Herzstück des christlichen Glaubens überhaupt. Die Gemeinden in Galatien waren durch den Dienst des Paulus entstanden. Er hat an ihnen gearbeitet (Galater 4, Vers 11), ja, er hat die Geburtswehen und ihr neues Leben aus Christus selbst erlitten (Galater 4, Vers 19). Aus den Anfangsversen des Briefes (Galater 1, Verse 6 bis 11) geht eindeutig hervor, daß die grundlegende Verkündigung des Paulus zu ihrer Bekehrung führte.

Dieser Glaubensfrühling in den galatischen Gemeinden ist nach der Abreise des Apostels von einem schmerzlichen Nachtfrost befallen worden. Es erschienen andere Verkünder des Christenglaubens. Es müssen mehrere gewesen sein. Diese - offenbar wie Paulus aus dem Pharisäismus, dem gesetzestreuen Teil Israels, stammende - Prediger stellten die Glaubenshaltung der Galater als ungenügend dar. Sie sagten: Ja, ein gewisser Anfang ist gemacht; aber wollt ihr ganze Christen sein, so müßt ihr das Gesetz Moses halten, vor allem die Beschneidung als Zeichen kultischer Zugehörigkeit zum Volke Gottes einführen (Galater 5, Vers 2). Wahrscheinlich empfahlen sie auch den Sabbath und andere gesetzliche Feiertage (Galater 4, Vers 10) und führten die mosaischen Speisegebote ein (Galater 2, Vers 12). Erst wenn die Galater so das Gesetz hielten, hätten sie das Anrecht auf die Gabe des Heiligen Geistes.

Offenbar fanden diese Verkünder in Galatien offene Ohren. Jung erweckte Christen verfügen noch nicht über genügende Kritik und sind hellhörig, wenn ihnen noch Besseres angeboten wird. Keiner will etwas Halbes sein. Je und je haben Schwärmer und Irrlehrer die Gläubigen zu verwirren gesucht, indem sie verkündeten: Bei uns ist erst die volle Wahrheit, die ganze Entschiedenheit! Es ist zwar kein schlechtes Zeichen, wenn Christen sich ihrer Halbheit schämen und das Vollkommene suchen. Wie leicht aber gerade solche auf Irrwege kommen, zeigt uns dieser Brief. Darum ist der Brief zu allen Zeiten aktuell.

Hans Brandenburg, Der Brief des Paulus an die Galater, Seiten 19 - 21

 

In der Kirchengeschichte spielte der Galaterbrief eine nicht geringe Rolle. Schon Augustin hat einen bemerkenswerten Kommentar zum Galaterbrief geschrieben, der später für Luther von großer Bedeutung wurde. Luther sagte einmal: Die Epistel an die Galater ist meine Epistel, mit der ich mich verlobte. Sie ist meine Käte von Boren. Über keinen Teil der Bibel hat Luther so viel gearbeitet, zumindest keinen neutestamentlichen Brief so oft vorgetragen und gelehrt. Man kann sogar sagen, daß der Galaterbrief entscheidend für die Reformation war, denn in keinem anderen Brief kämpft Paulus so leidenschaftlich um das allein aus Gnaden, daß später für Luther und die Reformation entscheidend war.

Es geht im Galaterbrief um das Herzstück, die Mitte, die Basis und das Fundament des christlichen Glaubens. Es geht um Alles oder Nichts. Entweder reicht Jesus und sein Sterben am Kreuz vollständig für uns aus, oder aber es kommt eben doch letztlich auf uns an. Deshalb ist Paulus hier so unnachgiebig und so leidenschaftlich in seinem Kampf für die Wahrheit der Guten Nachricht, des Evangeliums.

So beruft er sich gleich im 1. Vers auf seine apostolische Vollmacht, die ihm weder von noch durch Menschen verliehen wurde, sondern einzig und allein durch Jesus Christus und durch Gott, den Vater, der Jesus von den Toten auferweckte. Neben seiner göttlichen Berufung zum Apostel, die er alleine auf seinem Weg nach Damaskus erfuhr, schreibt er den Christen aber nicht als einsamer Prophet in der Wüste, sondern autorisiert durch die Gemeinschaft seiner Mitchristen.

Von Gott berufen und durch die Brüder bestätigt schreibt Paulus diesen Brief. Die nächsten drei Verse sind vollgepackt wie Katechismus. Und sie beginnen mit dem zentralen Wort des Briefes: Gnade! Siebenmal kommt dieses Wort Gnade in diesem Brief wie ein Fanfarenstoß vor. Das ist das erste, womit er die Galater persönlich anredet und das letzte, was er ihnen wünscht. Mit diesem Wort ist bereits alles gesagt, was die Galater brauchen und was sie fast verloren haben, wenn er ihnen im 4. Vers des 5. Kapitels schreibt: Wenn ihr aber durch das Gesetz vor Gott bestehen wollt, dann habt ihr euch von Christus losgesagt, und Gottes Gnade gilt nicht länger für euch.

Es geht hier in diesem Brief und für die Christen aus Galatien tatsächlich um Alles oder Nichts.

Die Gute Nachricht - das Evangelium - bedeutet wie für die Einwohner von Gerstofen: Wir sind unverdient beschenkt worden. Allerdings nicht mit einem vergänglichen 100 DM-Schein aus dem Stadtsäckel, sondern mit dem unvergänglichen Geschenk der Gnade.

Der Himmel wird von begnadigten Sündern bewohnt und nicht von Menschen, die ihn verdient haben. Das ist die gute Nachricht des Evangeliums!

Durch das Geschenk der Gnade entsteht Frieden: Frieden mit Gott, Frieden mit sich selbst und Frieden zwischen den Menschen. Dabei ist der Frieden uns durch die Gnade geschenkt. Nur begnadigte Sünder bekommen den Frieden mit Gott geschenkt. Dort wo es wieder auf uns und unsere Leistung ankommt, wo der gnadenlose Konkurrenzkampf tobt, wer der Beste ist und wer am meisten verdient hat, verlieren wir den Frieden, den Frieden mit Gott, den Frieden mit uns selbst und den Frieden zwischen uns. Dort, wo es wieder auf mich ankommt, wo es um meine Leistung und meine Anerkennung geht, eben um mich und nicht um Jesus, wo ich mir ein Stück Himmel wieder verdienen will, da werde ich den Frieden verlieren.

Deshalb hängt für Paulus der Frieden von der Gnade ab. Deshalb sind die Verse 3 bis 4 wie ein Katechismus, wie ein Lehrbuch des christlichen Glaubens. Dadurch das Christus sich für uns und an unserer Stelle für unsere Sünden hingegeben hat - ein für allemal - dadurch müssen wir nicht mehr unter dem Diktat dieser vergänglichen und vom Bösen beherrschten Zeit und Welt leben, sondern wir sind dazu befreit als Bürger der neuen Welt Gottes im Heute zu leben.

Dafür ist Jesus gekommen, um uns zu befreien. Und damit hat Jesus den Willen Gottes erfüllt.

In diesen Versen hat Paulus alles reingepackt, was wir an großen christlichen Feiertagen haben: Ostern - Karfreitag und Weihnachten: Für uns! Damit wir leben, ewig leben; befreit als Menschen der Zukunft im Heute leben.

Das was wir aus Science-fiction Filmen kennen, daß Menschen aus der Zukunft auf einmal in der Vergangenheit auftauchen können, ist genau das, was Paulus hier meint: Wir können aus unserer Zukunft bei Gott im Heute schon leben! Unser ewiges Leben bei Gott beginnt jetzt.

Und das alles ist uns unverdient geschenkt worden. Das ist erheblich mehr als nur ein 100 DM-Schein. Das ist Leben.

Kein Wunder das Paulus im 5. Vers in die Anbetung fällt. Was soll man sonst dazu auch sagen. Als Danke Gott und Dir gebührt dafür allein die Ehre.

Weil es beim christlichen Glauben eben nicht um eine Lehre oder um Moral geht, sondern um Leben oder Tod, weil Jesus nicht deshalb Mensch wurde, um uns eine Lehre zu bringen, sondern um unser Leben zu retten, deshalb wird Paulus in den nächsten Versen so vehement. Entweder gilt das, was Jesus getan hat und es reicht völlig aus für unser Leben und für unser Sterben, oder aber es kommt eben doch noch auf uns an.

Entweder oder, Jesus alleine oder Jesus und. Entweder reicht das Kreuz, an dem Jesus hing, oder aber wir müssen es noch mit unseren guten Werken schmücken. Das ist die Frage des Galaterbriefes. Wobei Paulus es nicht als Frage formuliert, sondern den Christen deutlich macht, daß Christus alleine völlig ausreicht. Das der Himmel von begnadigten Sündern bevölkert wird und nicht von Menschen, die ihn sich verdient haben.

Nachdem wir uns im Frühjahr mit dem Jakobusbrief beschäftigt haben, wird uns jetzt im Herbst der Galaterbrief begleiten.

Die Christen, denen Jakobus schrieb, lebten nicht, was sie glaubten und die Christen, denen Paulus schrieb, glaubten nicht, was sie lebten.

Für die Christen des Jakobus war Jesus nur der Gekreuzigte, aber nicht auch der Auferstandene durch den sie lebten und der in ihr Leben hineinredete und für die Christen aus Galatien war ein Gekreuzigter alleine nicht genug. Sie wollten Jesus dabei helfen das Heil zu vollenden.

Diese beiden Briefe beschreiben sehr gut die Spannung in der wir Christen heute vielleicht noch stärker als damals stehen.

 

- Entweder leben wir nicht, was wir glauben

oder aber

- wir glauben nicht, was wir leben

 

Und beides ist katastrophal!

Ein christlicher Glaube ohne den auferstanden Jesus verkommt zur leblosen Phrase. Ein christlicher Glaube ohne den gekreuzigten Jesus verkommt zur gnadenlosen Selbstgerechtigkeit.

Aus der guten Nachricht für die Bürger von Gersthofen wurde übrigens eine schlechte Nachricht für den Bürgermeister. Es hagelte nämlich Kritik, vor allem von seinen Amtskollegen, womit der 58 Jahre alte Jurist nicht gerechnet hatte. Sein Vorstoß sei unkollegial und unfair, heißt es da. Der Bund der Steuerzahler wirft ihm Populismus und "schlagzeilenträchtige Bürgernähe" vor.

Auch die gute Nachricht des Evangeliums - das uns nicht Geld - sondern das ewige Leben unverdient geschenkt wird - ist schwer zu verdauen, nicht nur für die Galater von damals, sondern auch für uns - und vielleicht gerade für uns heute.

Denn wir leben nun einmal in einer Leistungsgesellschaft, wo einem nichts geschenkt wird und das Handeln des Bürgermeisters aus Gersthofen eben die Ausnahme und nicht die Regel darstellt.

Es ist ja auch nicht so einfach das anzunehmen und zu glauben,

- daß wir den Himmel nicht verdient haben

- und das wir es auch nicht verdient haben, daß Gott uns liebt

- und das wir das nicht gut machen können, was Jesus für uns tat

daß das tatsächlich ein unverdientes Geschenk ist, daß wir lediglich anzunehmen haben, wie die Bürger von Gersthofen den 100 DM-Schein ihres Bürgermeisters.

Mehr können wir nicht tun, als das dankbar anzunehmen, was Gott uns in und durch Jesus geschenkt hat. Da können und brauchen wir auch nichts dazutun.

Es ist Gnade.

Von dieser Gnade, vom gekreuzigten Christus, leben Christen lebenslang. Sobald wir von Jesus weg auf uns oder auf den anderen sehen, fallen wir aus der Gnade in die Selbstgerechtigkeit. Das ist die Spannung zwischen den beiden Söhnen in Lukas 15: Der unverdient Begnadete und der gnadenlose Selbstgerechte.

Auf die Frage des Petrus, wie oft er seinem Mitmenschen vergeben muß - ob sieben Mal nicht reicht, antwortet Jesus mit der Aussage: Nein, immer und erzählt die Geschichte von einem, der seinem Chef einen Millionenbetrag schuldet und erlassen bekommt und anschließend von einem Mitarbeiter 100 DM auf Heller und Pfennig einfordert.

Als der Chef das mitbekommt, wie gnadenlos sein Angestellter mit seinem Mitarbeiter umgegangen ist, fordert er jetzt auch das Geld zurück.

Der sogenannte Schalksknecht (Matthäus 18 Verse 21 bis 35), der die Gnade seines Chefs erlebte und dann gnadenlos mit seinem Mitarbeiter umging, brachte sich selbst um die Gnade.

Sobald wir von Jesus weg auf uns oder auf den anderen sehen, fallen wir aus der Gnade in die Selbstgerechtigkeit und damit verlieren wir auch den Frieden: den Frieden mit Gott, mit uns selbst und den anderen Menschen.

Wir werden uns und anderen dann ständig den Puls fühlen, ob wir so auch in den Himmel kommen. Aus der guten Nachricht des Evangeliums, daß Gott uns unverdient mit Jesus beschenkt hat, wird eine erdrückende Nachricht, daß wir noch dieses zu lassen und anderes zu tun haben und wir werden niemals wissen, ob es genug ist und wirklich reicht. So verkommt der christliche Glaube zur Religion, wo es auf uns und unsere Leistung ankommt.

Wenn der gekreuzigte Christus nicht mehr reicht, dann zählt wieder unsere Leistung, unser Lebensstil, unsere Erkenntnis, unsere Herkunft, dann hängt unser Heil z.B. daran, ob wir rauchen oder nicht, oder wo Frauen reden dürfen, oder ob wir aus einem freievangelischen Elternhaus kommen. Die Liste kennt kein Ende.

Sobald uns der gekreuzigte Christus nicht mehr alleine reicht, wird irgendetwas seine Stellung einnehmen und das wird sich in der Regel sehr fromm und scheinbar auch richtig anhören, aber es wird uns um die Gnade bringen und es wird uns auseinanderbringen. Denn nur davon leben wir als Christen, daß wir miteinander durch nichts anderes als durch den gekreuzigten Christus verbunden sind.

Das ist die radikale Aussage des Evangeliums, wenn Paulus auch in diesem Brief schreibt: Jetzt ist es nicht mehr wichtig, ob ihr Juden oder Griechen, Sklaven oder Freie, Männer oder Frauen seid: in Christus seid ihr alle eins. Sobald uns aber der gekreuzigte Christus alleine nicht mehr reicht, werden unsere Unterschiede nicht mehr bereichernd, sondern trennend wirken.

Deshalb Paulus bleibt dabei: Christus allein und sonst nichts!

Gnade nichts als Gnade.



Krefeld, den 19. September 1999
Pastor Siegfried Ochs



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