Was kommt?

Nein, wir haben keine Glaskugel und können Ihnen deshalb auch nicht sagen, was kommt!

Weder, wer die Wahl am 18. September gewinnt, wobei da ja seit gestern feststeht, dass die Wahl wahrscheinlich erst am 2. Oktober und dann auch noch im Osten, in Dresden entschieden wird, was Steuber ja verhindern wollte.

Wir wissen auch nicht, wie sich der Arbeitsmarkt entwickeln und auf welche Höhe sich der Benzinpreis nach dieser furchtbaren Umweltkatastrophe in den USA einpendeln wird.

Sicher ist, wie eine gestern in Berlin vorgestellte Langzeitstudie zeigt, dass inzwischen jeder zweite Deutsche mit großer Angst in die Zukunft blickt.

Bereits 1982 brachte der Spiegel das Buch „Die Angst der Deutschen – Beobachtungen zur Bewusstseinslage der Nation“ auf den Markt. Vor 23 Jahren bestimmte noch der kalte Krieg die Außenpolitik. In Berlin stand noch die Mauer, und die Umsetzung des Nato-Doppelbeschlusses mit der Aufstellung von Atomraketen auf dem Boden der BRD hing in der Luft.

In diese Situation hinein – als Helmut Schmidt noch Kanzler war - befragte das Emnid-Institut die Bundesdeutschen: „Kommt es vor, dass Sie vor irgend etwas Angst haben?“ und 54% der Befragten antworteten: „kommt vor!“

Damals war die Angst vor Alter, Krankheit und Tod auf Platz 1 (46%), und die Angst vor einem Krieg lag auf Platz 2 (42%). Nur 15% hatten damals Angst vor einer schlechteren Wirtschaftslage.

Heute fürchten sich die meisten Bürger (72%) vor steigenden Preisen und vor einer schlechteren Wirtschaftslage (70%). An dritter Stelle steht die Sorge um den Arbeitsplatz (68%).

Bereits 1982 schrieb Jürgen Leinemann: Heute haben wir nur noch Angst. Große Angst und kleine Angst, auch Angst vor der Angst. Aber sonst gar nichts.

... Die deutsche Angst, die längst auch im Ausland das Bild der Bundesrepublik eingraut, ist anonym. Sie liegt in der Luft. Macht krank. „Sie höhlt den Menschen aus“. „Sie ist die Vorhalle des Nichts“.

...Einerseits: Läuft nicht wirklich alles ganz normal im Lande? Es wird regiert und gewählt, gereist und gefeiert wie eh. Gefeiert sogar mehr als sonst. Winzer-, Sommer-, Straßenfeste landauf, landab. Bürgerkrieg in Berlin? Bürgerfest in Bamberg. Das scheint eher die Grundstimmung der Nation. „Kein schöner Land in dieser Zeit“ singen sie.

Andererseits: Sie singen es sozusagen mit zusammengebissenen Zähnen. Die Arbeitslosigkeit wächst. Die Zahl der Bankrotte und Pleiten steigt. Der Staat ist verschuldet. Umweltzerstörung wird überall sichtbar. ... Die Frauen mucken auf. Die Jugend rebelliert oder steigt aus, oder funktioniert zu reibungslos, ist jedenfalls nicht in Ordnung. Nie wollten so viele Menschen auswandern. Nie seit Bestehen der Bundesrepublik nahmen sich so viele Deutsche das Leben. „Alles im Griff auf dem sinkenden Schiff“ ist auch ein populäres Lied.

© Jürgen Leinemann, Die Angst der Deutschen, Seite 7 bis 8

Das hört sich doch fast an wie aus unseren Tagen, oder? Jedes Jahr töten sich 40 Krefelder, war der heutigen Presse zu entnehmen. In nur 15 Jahren, so heißt es in der gestern veröffentlichten Studie, hat sich die Angst der Deutschen verdoppelt.

Kennen Sie dieses Gefühl, das auf einmal da ist – ohne Vorwarnung – und dann immer stärker wird, bis es uns völlig beherrscht und uns den Blick vernebelt hat? Angst!

Obwohl die Angst zwar etwas Unwirkliches und nichts Greifbares ist, kann sie einen doch so in Beschlag nehmen, dass die Realität vor unseren Augen verblasst und die unfassbare Angst realer als die fassbare Wirklichkeit für uns wird.

Weißes Blatt mit schwarzem Punkt zeigen: „Was sehen sie?“

Wenn die Angst uns packt – ganz egal ob es sich dabei um die Angst um den Arbeitsplatz, die Finanzen oder die eigene Gesundheit handelt – beginnen wir die Welt aus anderen Augen zu sehen. Dinge, die wir vorher spielend schafften, werden auf einmal zu einem Riesenproblem. Wir erkennen uns selbst nicht mehr. Wir werden unsicher, fühlen uns eingeengt und ausgeliefert, ohnmächtig und hilflos. Wir schämen uns unserer Angst, versuchen sie zu verdrängen, zu überspielen, wegzudrücken, doch die Angst ist stärker.

So hatte die Angst Peter völlig im Griff. Er wollte seine Freunde nicht mehr sehen und spielte seiner Frau eine Muskelzerrung vor. Er malte sich aus, was sie alles über ihn denken und ihm sagen würden. Peter war aufgrund seiner Arbeitslosigkeit in eine tiefe Depression gefallen. Die Angst, wie sie die Schulden bezahlt bekommen und die quälende Frage, ob es noch eine berufliche Perspektive gibt, ließen ihn in ein dunkles Loch voller Selbstmitleid und Verbitterung fallen. Alles, was er sah, war der schwarze Punkt auf seinem Lebensblatt.

Aber auch Gina ließ sich von der Angst bestimmen. Sie wollte ihre Freunde nicht verletzten und hatte Angst, dass sie alles in den falschen Hals bekommen würden, wenn das Essen zu teuer ausfällt und das Managermagazin samt Reisebroschüren offen herumliegen.

Wenn wir der Angst die Tür geöffnet haben, übernimmt sie die Kontrolle, hält uns fest im Würgegriff und schnürt uns die Kehle zu. Jemand sagte einmal: „Nicht wir haben Angst, uns alle hat die Angst!“

Wenn 3 Millionen Bundesbürger krank vor Angst sind, und mittlerweile jeder zweite Deutsche mit großer Angst in die Zukunft blickt, müssen wir danach fragen, wie wir mit unserer Angst fertig werden können.

Wenn Sie jetzt von mir erwarten, dass ich Ihnen ein Bibelwort serviere, das uns die Angst abnimmt, nach dem Motto: Man nehme ein bisschen Frömmigkeit, garniere das Ganze mit Glauben und schon hat man die Angst überwunden, dann muss ich Sie enttäuschen.

In vielen Gesprächen mit Menschen, die krank vor Angst waren, habe ich gelernt, dass es kein Rezept gegen die Angst gibt und der Weg heraus oft lang und mühsam ist. Gerade bei Christen bin ich so manches Mal auf ein krankhaftes Verhalten gestoßen, wo Angst nicht bewältigt, sondern verdrängt, nicht verarbeitet, sondern fromm angestrichen wurde.

Die Bibel ist kein Rezeptbuch, sondern ein Liebesbrief. Gott zeigt uns durch dieses Buch, wie sehr er uns liebt und sich nach einer persönlichen Beziehung mit uns sehnt. Die Bibel ist Gottes Gebrauchsanweisung für unser Leben. Sie ist nicht Einengung, sondern Befreiung zum Leben. Weil Gott uns geschaffen hat und wir als Menschen, Sie und ich auch, einzigartige und wertvolle Geschöpfe Gottes sind, weiß er auch am besten, wie unser Leben gelingen kann. Das meinte Bonhoeffer, als er sagte: „Christwerden heißt Menschwerden!“

Deshalb möchte ich jetzt mit Ihnen ein Wort Jesu bedenken, das uns dabei hilft, mit der Angst fertig zu werden: Johannes 16, Vers 33 (Einheitsübersetzung): Dies habe ich zu euch gesagt, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt.

Jesus Christus, der Gottes- und der Menschensohn gesteht uns unsere Angst zu. In der Welt seid ihr in Bedrängnis. In diesem Begriff steckt das, was wir unter Angst verstehen: Einengung und Lähmung unseres Lebens. Jesus gesteht uns Menschen, auch uns Christen, die Angst zu: Ihr werdet in der Welt und in eurem Alltag eingeengt und bedrängt. Euer Leben ist von Angst gefüllt.

Es ist einfach nur Blödsinn, wenn gesagt wird: „Ein deutscher Junge weint nicht!“ oder „Christen haben keine Angst!“ Jesus belehrt uns eines Besseren. Bei ihm dürfen wir zu unserer Angst stehen. Ganz egal ob es sich dabei um die Angst vorm Zahnarzt handelt – kennen Sie die? oder um die Angst vor dem nächsten Gespräch mit dem Chef.

Das ist die Entdeckung, der 1. Schritt aus der Angst heraus:

Ich darf Angst haben!

- Deshalb lasse ich meine Angst zu

- Deshalb überspiele ich meine Angst nicht

- Deshalb gebe ich meine Angst zu

Denn gerade die Tatsache, dass man Angst nicht zugibt, lässt die Angst erst zu einer wirklichen Gefahr werden. Wer seine Angst ständig verdrängt, verdrängt damit einen Teil seiner Persönlichkeit. Die Ärzte und Psychotherapeuten sagen uns heute, dass ca. 70% aller organischen Krankheiten seelische Ursachen haben. Wer seine Angst und damit einen Teil seiner Persönlichkeit ständig wegschiebt und versteckt, gilt in der Gesellschaft zwar als der Gesündeste, er muss aber damit rechnen, dass die Angst eines Tages anders und viel massiver als organische Krankheit zurückkommt.

Was die Psychotherapeuten uns heute an dieser Stelle sagen, hat Jesus schon vor 2.000 Jahren gesagt: „Wer die Angst verdrängt, wird eines Tages von ihr ertränkt!“

Angst zu haben, ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Menschlichkeit!

Wenn ich meine Angst wirklich zugebe, folgt der 2. Schritt, die Frage, was ist das eigentlich, das mir Angst macht?

- Ich formuliere meine Angst

- Ich stelle mir selbstkritische Fragen

- Ich steige in meine eigenen Tiefen

Jesus sagt: In der Welt habt ihr Angst. Gerade unser Zeitalter der Massenkommunikation ist zugleich auch ein Zeitalter der Angstauslöser. Wir werden heute sofort und so umfassend über jede Katastrophe in der Welt informiert, dass man den Eindruck gewinnen kann, selbst dabei zu sein. Ob es sich dabei um den Terroranschlag in New York und Washington vom 11. September handelt oder um die Tsunami-Katastrophe im Indischen Ozean vom 26. Dezember oder den Hurrikan „Katrina“ in New Orleans am 29. August.

Die Massenkommunikation hat nicht nur unseren Horizont erweitert, sondern eben auch die Angst in uns vervielfältigt. Die Angst vor dem Leben schlechthin wird immer größer. Man spricht heute von einer sogenannten Daseinsangst oder auch Weltangst, die gerade unter jungen Menschen ein weit verbreitetes Phänomen ist.

Vor 2.000 Jahren sagte Jesus schon: In der Welt habt ihr Angst.

Doch er bleibt nicht bei dieser dunklen Bestandsaufnahme stehen. Er bietet uns Frieden an und will uns Mut zum Leben machen und Hoffnung für den nächsten Tag schenken.

Dies habe ich zu euch gesagt, damit ihr in mir Frieden habt. Habt Mut: Ich habe die Welt besiegt. Wenn Jesus nur ein Sprücheklopfer gewesen wäre, wäre dieses Wort nichts weiter als Augenwischerei. Er sagt es aber seinen Jüngern im Wissen um seine Auferstehung. Karfreitag und Ostern besiegeln dieses Wort und machen es für uns heute glaubwürdig. Jesus Christus, der Gottes- und der Menschensohn starb für Ihre und meine Schuld, damit wir Gott wieder in die Augen sehen können, damit wir einen Ort haben, wo wir mit unserem Versagen und unsere Schuld hinkönnen, damit wir auch uns selbst wieder im Spiegel anschauen können.

Jesus stand von den Toten auf und lebt. Er ist nicht nur der Gekreuzigte, sondern auch der Auferstandene. Er ist nicht nur der Gegenwärtige, sondern auch der Wiederkommende. Er ist der Herr aller Herren. Er hat den Tod besiegt, und sein Friedensangebot ist kein Märchen aus vergangenen Tagen, sondern erfahrbare Wirklichkeit im Heute und Hier.

Jesus antwortet auf unsere Angst, indem er uns wirkliche, dauerhafte und erfahrbare Geborgenheit anbietet.

Mit ein Grund, weshalb die Angst in unserer Zeit so zunimmt, ist der Verlust der menschlichen Geborgenheit in Familie, Ehe und Freundschaft. Jede geschiedene Ehe ist der Nährboden für die Angst im Leben der Kinder. Jede gescheiterte Ehe und zerstörte zwischenmenschliche Beziehung vermehrt die Angst in uns. Das Zeitalter der Massenkommunikation ist zugleich auch das Zeitalter der Einsamkeit. Fernsehen, Computer und DVD können uns zwar für Momente von der Angst ablenken, aber sie ersetzten kein Gespräch und keine menschliche Zuwendung.

Deshalb war das ein lebenswichtiger Schritt für Peter, als er sich endlich aufraffte, doch zu dem Abendessen zu gehen. Freunde sind unbezahlbar und durch nichts zu ersetzen. Gerade solche Freunde wie Jan, die offen und ehrlich reden und zuhören können ohne falsches Selbstmitleid oder billige Ratschläge.

Und wenn Jesus uns Frieden und Geborgenheit anbietet, dann ist darauf Verlass!

Das ist der 3. Schritt, die Entscheidung: Ich will es lernen zu vertrauen:

- Deshalb spreche ich mit Gott über meine Angst

- Deshalb verlasse ich mich auf Gottes Zusagen

- Deshalb vertraue ich mich einem Menschen an

Wenn ich Sie einlade, Ihr Leben Jesus Christus anzuvertrauen, sage ich Ihnen damit nicht, dass Sie als Christ weniger Angst haben werden. Jesus ist keine Wunderpille, und Christen kommen auch nicht leichter an einen Job.

Aber Sie können als Christ erleben, dass der lebendige und gegenwärtige Herr der Angst in uns das letzte Wort nimmt.

Letzten Donnerstag war ich im Krankenhaus. Ein 82jähriges Gemeindemitglied stand vor einer schweren Herzoperation. Gemeinsam mit seiner Frau beteten wir. Er wusste sich in der Hand Gottes geborgen, ganz egal wie auch immer die Operation ausgehen würde.

Unsere Angst hat ihre tiefste Wurzel in unserer Sterblichkeit und Vergänglichkeit. Menschen, die an Jesus glauben, brauchen keine Angst mehr vor dem Tod zu haben, weil sie durch Jesus ewiges Leben geschenkt bekommen haben.

Wenn Sie sich dazu entschließen, Ihr Leben Jesus Christus im Gebet anzuvertrauen, wird sich Ihre Lebenssituation dadurch nicht automatisch verändern. Nirgendwo in der Bibel finden Sie eine billige Werbung für den Glauben, die Ihnen ein unbeschwertes und sorgenfreies Leben garantiert. Es ist geradezu umgekehrt: Menschen, die sich kompromisslos an Jesus binden, müssen mit mehr Schwierigkeiten als andere rechnen.

ABER jeder, der sich auf Jesus einlässt und ihm vertraut, wird erleben, dass er nicht verzweifeln muss. Ganz egal wie seine Situation auch immer ist. Für Gott gibt es keine hoffnungslosen Fälle.

Doch es beginnt immer und immer wieder mit einer Entscheidung: Ich will Jesus vertrauen! Ich will ihm wieder vertrauen und deshalb spreche ich mit ihm über meine Angst. Deshalb verlasse ich mich auf sein Wort und wende mich an andere Christen.

Wenn Sie ihr Blatt umdrehen, finden Sie eine Meditation, die mir eine gute Bekannte vor Jahren gerahmt zum Geburtstag schenkte. Sie wusste, wie nötig ich sie brauche. Seitdem hängt sie in meinem Büro.

„Herr, wir wollen wissen, was du morgen tun wirst,

und vergessen, was du gestern getan hast.

Weil uns das Vergangene entfällt,

überfällt uns die Angst vor dem Kommenden.

Lässt du uns morgen allein,

wenn du gestern bei uns gewesen bist?

Kannst du uns morgen versagen,

was du uns gestern gegeben hast?

Willst du uns morgen fallen lassen,

wenn du uns gestern gehalten hast?

Wenn wir uns erinnern, was du uns gestern Gutes getan hast,

schwindet uns die Sorge um morgen.

Denn du bist gestern, heute und morgen derselbe."

Gerade nach dem letzten Urlaub, als der Berg der Termine und Aufgaben sich wie eine Last auf mich legte und ich am liebsten gleich wieder die Koffer gepackt hätte, fiel mein Blick auf diesen Text, und mir wurde wieder einmal klar: Ich muss der Angst nicht das letzte Wort überlassen. Ich darf mich fest auf Ihn verlassen.



Krefeld, den 9. September 2005
Pastor Siegfried Ochs



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